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Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman
Autoren: Simone Neumann
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ihm zu.
    »Vorsicht, Vorsicht, gute Gunda. Übe dich nicht unwissentlich in Blasphemie.«
    Melchior hatte sich bereits wieder erholt, er hüstelte noch ein wenig, stellte das teuflische Gebräu zur Seite und wiederholte seine anfänglichen Worte: »Ich bin gekommen, um mich zu verabschieden. Mein Bruder Jonathan und ich, wir werden ins Kloster zurückberufen.«
    »An die Weser etwa?«, fragte Gunda, nun doch erstaunt.
    »So ist es. Unser Vater Abt ist beim Kaiser Ludwig in Ungnade gefallen, eine lange Geschichte mit Auswirkungen auch auf die Führung unseres Hauses. Wir ziehen uns wieder zurück hinter die Mauern. Die Zeit, so heißt es nun, sei noch nicht reif für Experimente, keine kleinen Kirchen mehr im Umland, keine wilden Mönche auf heidnischen Bergen. Später vielleicht. Jedoch nicht jetzt, nicht während meines bescheidenen Lebensalters. Ich hoffe jedoch, dir hin und wieder einen kleinen Besuch abstatten zu dürfen, gute Gunda.«
    Die Alte schaute ihn schweigend an. Sie versuchte zu verstehen.
    »Wilde Mönche«, wiederholte sie. »Meinen sie damit etwa Agius? Wissen sie, dass er verschwunden ist und mit wem er verschwunden ist?«
    »Nein, nein, keine Sorge, das waren meine eigenen Worte. Sie hingegen halten ihn für mausetot. Ich habe ihnen sein Grab gezeigt.«
    »Du bist ein wahrer Lügenbold, Melchior.«
    »Die Not, gute Gunda, die Not. Was tut man nicht alles für einen lieben Freund?« Melchior blickte verlegen zu Boden, das schlechte Gewissen plagte ihn durchaus.

    »Ich mache mir viele Gedanken über sie«, flüsterte Gunda und huschte ein wenig näher an Melchior heran. »Wo sie wohl untergekommen sind? Ob sie als Frau und Mann zusammenleben? Und wie nur können sie ihr Tagwerk bestreiten? Von Luft und Liebe allein lässt es sich nicht leben.«
    »Agius wird sich zu helfen wissen, er ist klug. Und dass Inga vom Hilgerhof eine findige Person ist, das hat sie zur Genüge unter Beweis gestellt. Ich …«, jetzt kam Melchior der alten Frau näher, um ihr ins Ohr zu flüstern: »Ich wähne sie im Süden des Frankenreiches, in der alten Heimat des Agius. Dort ist es warm, es regnet kaum, nur stürmen tut es ab und an. Dort wächst köstlicher Wein und duftender Lavendel. Ein Paradies.«
    »Lavendel, das klingt hübsch – ist das ein Kraut?«, flüsterte Gunda zurück.
    »Ein herrliches Kraut, und tausende anderer Kräuter gibt es dort.«
    »Dann wird es Inga dort sicherlich gut haben. Was denkst du, mein lieber Melchior?«
    »Wie Adam und Eva im Garten Eden. Wollen wir nur hoffen, dass die Schlange auf sich warten lässt.«
    »Was für eine Schlange?«
    »Das ist eine Bibelgeschichte, Gunda. Du magst sie sicherlich nicht hören.«
    Doch Gunda zog Melchior am Arm zu sich auf die Holzbank: »Erzähl sie schon, deine Geschichte. Erzähle!«

ANHANG
    Dichtung und Wahrheit
    D as frühe Mittelalter ist eine Zeit, so fern und auch so fremd, dass ich es als sinnvoll erachte, einige Anmerkungen zu diesem Roman zu verfassen, die Aufschluss darüber geben, was in dieser Geschichte Dichtung ist und was tatsächlich der Wahrheit entspricht.
    Meine Geschichte beginnt im Jahre 825 und trägt sich im erst kürzlich befriedeten und noch nicht vollständig christianisierten Sachsen zu, genauer genommen im Weserbergland, nahe der heutigen Stadt Höxter. Die mehr als dreißig Jahre dauernden Sachsenkriege (772-803) Karls des Großen sind vorüber, sie haben den Menschen dieser Region nicht nur eine neue Religion gebracht, sondern ein ganz neues Herrschaftssystem, verbunden mit anderen politischen, anderen wirtschaftlichen und vor allem anderen gesellschaftlichen Strukturen; immense Veränderungen, die ihre Zeit brauchen, um den Menschen in Fleisch und Blut überzugehen.
    Vor allem der neue christliche Glaube – zum Teil gewaltsam eingeführt – findet auch Jahrzehnte nach den Massentaufen nicht den Anklang, den sich der Kaiser und die immer mächtiger werdende Reichskirche wünschten. Anders als der sächsische Adel, ist die übrige Bevölkerung, bestehend aus Frilingen (freie Bauern), Laten (Hörige) und Sklaven, noch zu sehr geprägt von alten Göttervorstellungen, dem Glauben an Naturgewalten sowie an gute und böse Geister. Missionare werden
geschickt, Klöster entstehen, um das Christentum endlich fest in den Köpfen der Sachsen zu verankern. Zum bedeutendsten Kloster dieser Region wird das 823 von Kaiser Ludwig dem Frommen gegründete Kloster Corvey, in damaligen Quellen Corbeia Nova genannt.
    Für die Mönche
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