Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman
Autoren: Simone Neumann
Vom Netzwerk:
hatte aus dem Wüterich Ansgar bald einen sanften Riesen gemacht. Es waren vornehmlich die Kopfschmerzen gewesen, die ihn zeitweise unberechenbar hatten werden lassen, doch dieses Leiden war nun vergangen, weil das alte Gift sich offenbar restlos aus seinem Körper entfernt hatte. Sein Verstand jedoch war nicht zurückgekehrt. Dennoch konnte er allen Geschäften des täglichen Lebens selbstständig
nachgehen, ja, er war sogar geschickt genug, um handwerkliche Tätigkeiten zu Ingas vollkommener Zufriedenheit zu erledigen. Man musste ihm jedoch einen Auftrag dazu geben, allein und aus freiem Willen nahm er nichts in die Hand.
    Inga ging in den Hof hinaus, dorthin, wo sich die leeren Fässer stapelten. Dort war eines, welches sie schon seit geraumer Zeit zu dem von ihr verfolgten Zwecke auserkoren hatte. Sie begutachtete es ein weiteres Mal und überlegte erneut, wie eine zarte Frau wie sie diese Aufgabe ganz ohne fremde Hilfe bewältigen sollte. Besser wäre es, sie holte Bero her, doch der Weg in ihre alte Heimat war zu weit. Ottmar würde sie bei der vielen Arbeit, die momentan anstand, nicht ziehen lassen, und gerade jetzt galt es, keinerlei Verdacht zu erregen. Zudem war Bero im Moment damit beschäftigt, seine Heirat mit Ada vorzubereiten.
    Ja, alles hatte tatsächlich genau den Lauf genommen, den Inga sich gewünscht hatte. Nur der Tod Giselas hätte nicht sein müssen. Doch darüber wollte sie nicht weiter nachdenken, denn das war nicht ihre Sache gewesen. Ihre Sache war es nun, den letzten fehlenden Schritt zu vollziehen, und dann würde es für sie kein Hindernis mehr geben, um zurückzukehren. Zurückzukehren auch zu ihm, der nun wieder dort war, dort in der Kapelle, wo sie ihn nach dem Begräbnis der Gisela getroffen hatte. Einen viel zu kurzen, aber wunderschönen Kuss hatten sie ausgetauscht, seine Hände waren unter ihr Kleid gewandert, und die ihren waren gerade dabei gewesen, unter seiner Kutte zu verschwinden, als leider ein Besucher die Kirche betrat. Es war erneut dieser garstige Kapuzenmönch gewesen, dieser hässliche Schrat, bei dem Inga sich nicht gewundert hätte, wenn man von ihm erzählen würde, dass er ein böser Gnom war, der unter den Wurzeln der Bäume lebte und des Nachts in die Häuser schlich, um Neugeborene zu stehlen. Agius hatte Inga beim Auftauchen dieses Gastes grob, ja sehr grob, zu verstehen gegeben, dass sie verschwinden
solle, und seitdem hatte sie ihn nicht wiedergesehen. Sie hoffte nun, dass er sich bald für dieses Verhalten entschuldigte und dass er, sobald sie zusammen mit der alten Gunda in einem kleinen Häuschen lebte, hin und wieder den Weg zu ihr fand. Welch ein friedliches, erfülltes Leben könnte das sein. Ja, diese Aussicht gefiel Inga, sie gefiel ihr ungemein. Sie würde Kräuter mischen, mit Gunda plaudern, ihre Familie besuchen und einen Mann lieben dürfen. Das war mehr, als sie sich seit dem Tode Rothgers je von ihrem Leben hatte versprechen dürfen – nein, mehr sogar, als sie sich seit dem Auftauchen der Friedelfrau Uta hatte erhoffen können.
    Sie musste Ansgar also alleine in dieses Fass hieven, selbiges zum Ufer rollen, heimlich auf eines der Schiffe bringen und warten, bis dieses ablegte, gen Norden, ohne dass einer der Friesen ahnte, welch eigentümliche Fracht sich auf dem Boot verborgen hielt. Irgendwann würde man ihn sicherlich finden, doch dann war es hoffentlich zu spät umzukehren. Und so stark und gutmütig wie er war, fand man gewiss eine Tätigkeit für ihn in dem Handelsstützpunkt der Friesen. Dort, wohin es auch den armen Gernot gezogen hätte, wäre nicht seinem Leben vorzeitig und gewaltsam ein Ende gesetzt worden.
    Zwei Nächte noch, dann – so hatte sie leicht in Erfahrung bringen können – würden die Friesen wieder aufbrechen. Und bei einem der Friesen handelte es sich sogar um den Kaufmann, mit welchem Inga bereits zwei Mal erfolgreich Geschäfte gemacht hatte. Dummerweise nächtigte dieser nicht in der Taverne, sondern auf seinem eigenen Boot. Damit war Inga zwar der Gefahr entgangen, dass er sie hätte wiedererkennen können, was sicherlich nicht bedrohlich, aber dennoch unnötig gewesen wäre. Anderseits jedoch konnte sie somit das Fass gewiss nicht so einfach auf seinen Kahn schmuggeln. Und er war es doch, den sie auserkoren hatte, sich um Ansgar zu kümmern, denn
ihm traute sie nicht zu, dass er einen blinden Passagier bei dessen Entdeckung einfach über Bord werfen würde.
     
    Zu Ingas Glück zechte der Friese in der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher