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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome
Autoren: Eric Walz
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wurde.
    Zurück im Saal des Sanhedrin, entzündete er die Flüssigkeit. Wie Lebewesen krochen die Flammen der Spur entlang, die er gelegt hatte, und schlugen in die Höhe. Schwarzer Qualm stieg zur Decke hoch und füllte schnell den Saal aus.
    Kephallion betrachtete sein Werk und kicherte. Den Tempel wenigstens würden die Römer nicht in ihre Gewalt bekommen. Das war sein Triumph, sein Ruhm. Bis in alle Ewigkeit würde das Volk der Juden ihm diese Tat danken.
    Salome fiel ihm wieder ein. »Stirb«, rief er und wankte durch den Rauch zu der Stelle, wo sie gelegen hatte.
    Doch sie war fort.
    Hektisch blickte er sich um – und plötzlich traf ihn eine goldene menora am Kopf. Das Schwert glitt ihm aus den Händen. Noch bevor er sich gesammelt hatte, traf ihn der schwere Leuchter ein weiteres Mal. Benommen wälzte er sich am Boden. Er sah Salomes Gesicht über sich, sah ihre Silhouette im Qualm verschwinden. Der Rauch hüllte ihn vollständig ein; er keuchte, hustete, bekam keine Luft mehr. Die Flammen erfassten sein Gewand. Panisch schlug er nach ihnen, rannte irgendwohin, aber im nächsten Moment brannte er wie eine Fackel.
    Sein fürchterliches Kreischen, das einem wahnsinnigen Lachen glich, erfüllte den Saal und erstarb schließlich im Feuersturm.

32
    Der Himmel war rot von Flammen. Mauern stürzten ein, schwere Quader zerschmetterten auf den Kacheln der Höfe, Juden und Legionäre lieferten sich letzte Gefechte, einige Zeloten stürzten sich in ihre Schwerter, andere rannten sinnlos gegen die Übermacht der Römer an. Zu Dutzenden starben die Menschen um Salome, doch sie achtete nicht darauf, sondern lief geradewegs durch das Inferno. Nur ein einziger Gedanke beherrschte sie: Gilead.
    Sie wusste, wo der Eingang des Gefängnisses lag, und sie wusste, dass ihr Sohn sterben würde, wenn der Tempel und die Halle des Sanhedrin einstürzten. Vor vierzehn Jahren war Timon in dem gleichen Gefängnis ums Leben gekommen, erstickt, erschlagen, verbrannt.
    Nicht Gilead, dachte sie. Nicht auch noch unser Sohn, Timon!
    Als sie vor dem Gefängnis ankam, fand sie das Tor von riesigen Gesteinsbrocken versperrt. Sie zögerte keinen Augenblick. Mit aller Kraft zerrte und drückte sie gegen die Quader. Da sich nichts bewegte, ergriff sie eine Stange und versuchte damit, das Gestein zur Seite zu bewegen. Als sich noch immer nichts tat, stellte sie sich einem Legionär in den Weg und flehte ihn an, ihr zu helfen, doch der Soldat nannte sie eine dreckige Jüdin und stieß sie von sich.
    Aus den Dächern des Tempels und Sanhedrin züngelten die Flammen. Sie spürte, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb. Mit der Kraft der Verzweiflung kletterte sie auf den Steinhaufen und versuchte, wenigstens ein kleines Loch frei zu bekommen, um in das Innere des unterirdischen Gefängnisses zu schlüpfen.
    Keiner der Steine bewegte sich.
    »Verdammt«, fluchte sie und schlug auf die Quader ein. Jeden Moment konnten die Gebäude zusammenbrechen und ihren Sohn – und sie selbst – unter sich begraben.
    Von hinten legte sich eine Hand auf ihre Schulter, und noch bevor sie sich umdrehte, erkannte sie, wem sie gehörte. Aristobul blickte ihr in die Augen und wies auf eine Stelle, wo die Römer einige Verwundete versorgten. »Gilead ist dort«, sagte er. »Und auch Agrippinos.«
    »Sie … sie leben?«
    Er nickte. »Ich konnte sie befreien, bevor der Kerker verschüttet wurde. Die Folterungen haben sie geschwächt, aber du musst nicht um sie fürchten. Sie sind in Sicherheit.«
    Salome konnte nichts sagen, sich noch nicht mal bei Aristobul bedanken. Wortlos folgte sie ihm zu dem Lager.
    Als sie die beiden Jungen entdeckte, die auf einer Decke am Boden lagen, miteinander sprachen und gestikulierten, blieb sie stehen und schloss für einen Moment die Augen. Ihr Kopf zitterte vor Glück und Erschöpfung.
    Sie war dankbar, dass Aristobul seinen Arm um ihre Schulter legte, und schaute in den Himmel auf, wo dichter Qualm, aus dem Tempel quellend, die Sonne über der heiligen Stadt verhüllte.
    Finsternis bedeckte die Erde.
     
    Mit dem Fall Jerusalems und dem Tod der führenden Zeloten verlor der Aufstand der Juden jegliche Aussicht auf Erfolg, sollte dieser je bestanden haben. Binnen Tagen fielen die letzten Städte wieder in römische Hand, und selbst solche, die früher nie unter römischer Besatzung gestanden hatten, erhielten nun Garnisonen. Der Kaiser entzog Judäa jegliche Autonomie. Der Sanhedrin wurde für abgeschafft erklärt, die thora verlor ihre
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