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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome
Autoren: Eric Walz
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kommend, fallen drei römische Legionen in Samaria ein. Caesarea haben wir bereits wieder verloren, armenische Hilfstruppen haben unter Führung des Königs Aristobul unsere Belagerung von Sebaste gesprengt und …«
    »Halt den Mund«, schrie Kephallion mit hochrotem Kopf. »Zweifler wie du sind es, die unseren Sieg verzögern, Schwächlinge, Halbgläubige, Hasenfüße! Die Welt ist voller Zwerge wie du, die sich von Angst beherrschen lassen. Das Zeitalter der Angst ist vorbei. Wenn wir mutig sind, werden wir belohnt. Darum sage ich: Voran mit dem Schwert in die Schlacht!«
    »Wie wäre es«, sagte der Zweifler ironisch, »wenn du selbst Mut zeigen würdest und voran mit dem Schwert in die Schlacht gingest.«
    Kephallion zögerte nur einen kurzen Augenblick, dann riss er einem seiner Leibwächter den Dolch aus dem Gurt, rammte ihn in den Leib des vorlauten Mannes, drehte ihn einige Male um und zog ihn dann ebenso beherzt wieder heraus. Röchelnd brach der Mann zusammen.
    »Und jetzt«, flüsterte Kephallion und blickte von einem zum anderen, »führt meine Befehle aus.«
    Ohne Zögern eilte die Gefolgschaft davon und kümmerte sich nicht weiter um ihren ermordeten Kameraden.
    Kephallion blieb allein mit zwei Toten zurück. Seltsamerweise fühlte er sich in Gesellschaft des Todes am wohlsten. Das war nicht immer so gewesen. Vor seiner ersten derartigen Herausforderung, dem geplanten Mord an Pilatus, war er noch zurückgeschreckt, und nachdem er seinem Vater den Dolch in den Rücken getrieben hatte, war die Panik wie eine Flut über ihn hereingebrochen. Dann folgte Harithas Steinigung. Er konnte noch immer das Kribbeln empfinden, als er die Hand um den Stein legte, mit dem Arm ausholte und … Zum ersten Mal spürte er damals eine eigenartige Erregung, als der Brocken die zarte Frauengestalt traf. Von diesem Tag an mordete und steinigte er in seinen Träumen am Tag und in der Nacht etliche Menschen: er tötete seine Mutter, die schon längst tot war, er tötete Pilatus, Salome, Herodias, seine Frau Berenike … Frauen tötete er lieber als Männer. Durch diese Träume wurde alles leichter. Als es darum ging, im Namen der Zeloten die ersten Morde an Rabbinern in Auftrag zu geben, vermisste er zunächst jenes kribbelnde Gefühl. Erst durch die Vielzahl der Morde stellte sich die alte Erregung wieder ein. Doch nicht für lange. Immer ausgefallener und immer zahlreicher mussten die Opfer werden, gipfelnd in jenem Schlachtfest von Caesarea, als auf seine Veranlassung hin tausend Christiani an einem einzigen Tag starben – und der törichte Agrippa gleich noch dazu. Und heute? Je mehr Opfer der Kampf für das Gottesreich kostete, desto stärker glaubte Kephallion, dass noch nicht genug Blut geflossen sei, desto nötiger waren weitere Tote, außergewöhnliche Tote: der Hohepriester, der heuchlerische Pharisäer Matthias …
    »Herr«, rief eine Stimme hinter ihm. Einer seiner Leibwächter war eingetreten und führte jemanden in Fesseln vor, den Kephallion kannte. »Er wollte in das Gefängnis eindringen, Herr.«
    Kephallion grinste breit. »Sieh an«, seufzte er glücklich, als habe man ihm ein kostbares Geschenk überreicht. »Der Bastard der Heidenhure.«
     
    Über Jerusalem ging die Sonne auf, als Salome sich den Mauern näherte. Unmittelbar vor ihr ragte der Herodespalast auf. Sie blickte zu den Balustraden hoch, wo sie als Kind oft gestanden und in die Ferne gesehen hatte, über die Hügel Judäas, die ziehenden Karawanen und die Dächer der Heiligen Stadt. Sie erinnerte sich, wie sie auf Bäume geklettert war und an den Teichen gespielt hatte, erinnerte sich an die Myriaden von Vögeln in den Gärten, an die Brunnen, an den Gewürzduft, der von den Märkten in der Unterstadt heraufgezogen war.
    Nichts davon war geblieben. Brandgeruch lag über Jerusalem. Alle nichtjüdischen Bauten wie Hippodrom und Theater brannten, an den Mauern hingen Dutzende Leichen, und an den Toren entstand die kuriose Situation, dass Kolonnen von Menschen aus der Stadt strömten, um dem zelotischen Terror zu entgehen, und ebenso lange Kolonnen hineinströmten, um den Römern zu entgehen. Zwei Legionen näherten sich der heiligen Stadt. Noch an diesem Vormittag würden sie eintreffen, doch es war ungewiss, ob sie sofort angreifen oder eine Belagerung vorbereiten würden.
    Auf die Römer konnte Salome sich nicht verlassen. Bald würden die Tore geschlossen werden, dann gäbe es keine Möglichkeit mehr für sie, Gilead zu helfen. Sie hatte vor,
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