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Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen

Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen

Titel: Die Schattenkämpferin 1 - Das Erbe der Drachen
Autoren: Licia Troisi
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ganz Neues anfangen, und in seinem Alter habe seine Mutter schon eine klare Vorstellung davon gehabt, was sie mit ihrem Leben anfangen wolle. Er sagte, dass er fortziehen würde, wohin, wisse er noch nicht, aber mit Sicherheit weit weg von mir.
    Und kein einziges liebevolles Wort kam mir in dieser Situation über die Lippen. Stattdessen ließ ich mich hinreißen von einem törichten Stolz, wollte mich als Vater gegen ihn durchsetzen und schrie ihn an, drohte ihm. Denn ich wusste, ohne ihn hatte ich gar nichts mehr, und in meiner Verzweiflung reagierte ich so unbesonnen.
    Er ließ mich stehen und schlug die Tür hinter sich zu. Damals habe ich ihn zum letzten Mal gesehen. Obwohl ich überall nach ihm suchte. All die Monate, in denen Du nichts von mir hörtest, habe ich nichts anderes getan, als diese verfluchten Lande hier auf der Suche nach ihm in alle Richtungen Zu durchstreifen. Bis ich schließlich zum Saar gelangte. Er hat ihn überteuert, Ido, ich weiß es. Er ist ins Land seiner Mutter heimgekehrt, in unsere Heimat. Und wenn es so ist, lebt er mittlerweile in einer anderen Welt und braucht mich nicht mehr.
    So machte ich kehrt und bemühte mich zu akzeptieren, was geschehen war. Es ist so schwer. Ich weiß, Ido, Du bist der Einzige, der mich verstehen kann. Gemeinsam haben wir den Tyrannen bekämpft und besiegt. Aber was hat es uns gebracht? Wozu war es gut, all das Leid, all die Entbehrungen? Früher war ich überzeugt, wir würden, wenn unser Schmerz, vor allem der Nihals, erst einmal überwunden wäre, irgendwie belohnt werden: würden unser Glück finden oder zumindest Frieden. Und nun sieh dir mal an, was aus uns geworden ist.
    Seit Nihals Tod ist um mich herum alles finster. Auch Du schreibst in Deinen Briefen von Kriegen und Intrigen. Und dann erst dieser Dohor, der dem Tyrannen Aster in vielem so ähnlich zu sein scheint.
    Nichts von dem, was wir getan, was wir geopfert haben, hat wirklich Zu etwas Gutem geführt. Vom Krieg gegen Aster blieb mir ein lahmes Bein, und Dir wurde ein Auge entrissen. Und wozu? Vergebliche Opfer, vergeblich vergossenes Blut. Aber vielleicht denkst Du ja anders darüber. Du gibst nicht auf, kämpfst immer weiter und wirst noch mit dem Schwert in der Hand sterben. Ich hingegen fühle mich so alt und verbraucht. . . Mittlerweile kann ich Tariks Entscheidung verstehen und will ihm nicht noch einmal meine Nähe aufdrängen. Deshalb unterlasse ich es, nach ihm Zu suchen. Ein Mann, der gescheitert ist, muss der Wahrheit irgendwann ins Gesicht sehen. Und ich bin gescheitert. Falls Du Tarik zufällig einmal begegnen solltest, so richte ihm doch von mir aus, ich verstünde ihn jetzt 'und er möge mir verzeihen, dass ich ihn unglücklich gemacht habe. Mehr nicht.
    Damit will ich diesen Brief schließen. Ich glaube, ich werde noch lange Zeit zum Nachdenken brauchen, daher sorge Dich also nicht, wenn Du nichts von mir hörst. Jetzt wieder ganz allein zu sein, ist eine große Belastung, aber vielleicht ist diese Einsamkeit auch die einzige Rettung für mich.
    Grüße bitte Soana von mir. Unten auf der Seite habe ich noch ein Rezept für einen Zaubertrank aufgeschrieben, der ihr bei ihrer Krankheit hoffentlich helfen kann. Gib es ihr zu lesen, sie weiß dann schon Bescheid.
    Danke für alles, mein einziger Freund Sennar Mit dem Brief in der Hand, einigen durch die Jahre vergilbten, mit verblichener Tinte beschriebenen Blättern, stand Ido vor dem königlichen Palast in Laodamea. Die Luft war frisch, der Morgen klar. Ein herrlicher Frühsommertag kündigte sich an.
    Im Lauf der Jahre, vor allem nach Nihals Tod und dem Beginn der Auseinandersetzungen mit Tarik, hatten Sennars Briefe immer trauriger geklungen, nachdenklicher und waren auch immer seltener geworden. Irgendwann beschränkten sie sich auf ein paar Zeilen, einen eilig hingeworfenen Gruß. Die Seiten, die er jetzt in der Hand hatte, stellten den letzten richtigen Brief dar, den er von dem Magier erhalten hatte.
    Mit Sennars Schweigen verschwand für Ido auch der letzte Gefährte, der letzte Gleichgesinnte einer Welt, die er geliebt hatte. Nun war nur noch er selbst übrig, als einzige Ruine, die der Krieg und das Leben zurückgelassen hatten. Manche Andeutungen in diesem Brief verstand Ido erst jetzt besser. Wenn er sich umblickte, sah er nur neue Gesichter, die ihm wenig oder gar nichts sagten: stets wechselnde Kampfgefährten, die Mitglieder des Rats der Wasser, Schüler. Niemandem aus dieser Schar fühlte er sich wirklich
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