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Die Schattenflotte

Die Schattenflotte

Titel: Die Schattenflotte
Autoren: Boris Meyn
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weiteren Genossen erfreut sein wird.» Sie legte Sörens Hand auf ihren Bauch. «Vielleicht wird es auch wieder eine Genossin.»
    Sören schloss die Augen und zog Tilda an sich. «Seit wann weißt du es?»
    «Ich bin seit drei Wochen überfällig.»
    Sören wusste nicht, worüber er sich mehr freuen sollte, über ein weiteres Kind oder über den Umstand, dass Tilda nicht nach Berlin gehen würde. Er wusste in diesem Moment nur eins, aber er kam gar nicht dazu, es auszusprechen, weil er das noch dringlichere Bedürfnis hatte, Tilda hier vor allen Leuten zu küssen.

Epilog
    «Die Personen und die Ereignisse sind unauflöslich miteinander verbunden; davon abzuweichen, etwas zusammenzufassen oder zu unterdrücken, würde beim Leser den Eindruck von einem ausgekochten Schwindel erwecken. Tatsächlich betrat ich noch gewagteren Boden, indem ich darauf bestand, dass die Geschichte so ausführlich und eingehend wie möglich sein müsse, freimütig und ehrlich, um zu unterhalten und so einen großen Leserkreis anzuziehen. Selbst Anonymität sei unerwünscht. Dennoch seien gewisse Vorsichtsmaßnahmen zwingend notwendig   …»
     
    Erskine Childers, The Riddles of the Sands, Vorwort 1903
     
    Wie bereits in meinen vorangegangenen historischen Romanen sind auch in der «Schattenflotte» Dichtung und Wahrheit eng miteinander verwoben. Es ist eine Gratwanderung zwischen historischer Realität und Fiktion, wobei das Jahr der Handlung bisher jeweils durch jene historischen Eckdaten bestimmt wurde, die für die Entwicklung Hamburgs eine besondere Bedeutung gehabt haben. Im vorliegenden Roman, dessen Handlung am Neujahrstag 1902 beginnt, ist dieser Sachverhalt anders.
    Die Vorgänge, um die sich meine Geschichte rankt, sind von nationaler wie internationaler Bedeutung. Aber die Fortsetzung der Geschehnisse, die schließlich in dieKatastrophe des Ersten Weltkriegs mündet, liegt für meine Protagonisten, fiktive wie auch reale Personen, noch in weiter Ferne und ist – sosehr sie auch von Gefahren und Risiken sprechen – zum Zeitpunkt der Handlung noch nicht vorhersehbar; sie erscheint erst aus heutiger Sicht plausibel.
    Unbestritten ist, dass die Hochrüstung der Reichsmarine unter Wilhelm   II. als Drohgebärde gegenüber England entscheidend zur Konfrontation zwischen beiden Ländern und zum Ausbruch des Weltkriegs beigetragen hat. Auch wenn die Beweggründe Wilhelms eine gewisse Interpretationsvielfalt zulassen, so hatte er den Weg, den Deutschland beschreiten sollte, seit 1900 (Hunnenrede in Bremerhaven), spätestens jedoch mit den Worten eindeutig vorgegeben, die er anlässlich einer Unterelbe-Regatta 1901 formulierte: «Wir haben uns einen Platz an der Sonne erkämpft (…), unsere Zukunft liegt auf dem Wasser.» In Admiral Tirpitz fand Wilhelm   II. schließlich denjenigen, der seine Allmachtsphantasien propagandistisch zu vermarkten und unter dem «Deckmantel»
Risikoflotte
auch politisch zu legitimieren wusste. Nicht nur bei den Unternehmen des Reichs, die wirtschaftlich von der Aufrüstung zur See profitierten (Krupp, Borsig, AEG), sondern auch in den weltweit führenden Reedereien (Lloyd und Hapag) fanden Wilhelm   II. und Tirpitz willige Kooperationspartner, denen eine Flotte zum Schutz ihrer wirtschaftlichen Interessen gelegen kam.
    Schon vor 1900 wurden vor allem in England Stimmen laut, die behaupteten, Unternehmen wie die Hapag seien in Wirklichkeit Werkzeuge des Deutschen Reichs und deren Schnelldampfer seien unter der Vorgabe konstruiert worden, sie im Kriegsfall schnell in Hilfskreuzer umwandeln zu können. Auch wenn diese Behauptungstets abgestritten wurde, verifizieren lässt es sich kaum, da die Hapag stets penibel darauf geachtet hat, die Namen ihrer Aktionäre nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen. Es sei mir also verziehen, wenn ich mir diesen Umstand zunutze gemacht habe, die Verstrickungen von Handels- und Kriegsmarine als Erklärungsmuster der Geschehnisse in einem Kriminalroman zu verwenden. Gerade Hamburg bietet sich nicht nur aufgrund seiner topographischen Lage als Ort für eine solche Verdichtung an, sondern vor allem dank seiner wirtschaftlichen Infrastruktur. Die Werft Blohm + Voss entwickelte sich in den Folgejahren zu einem Rüstungsbetrieb par excellence, und der Leitspruch der Hamburg-Amerika Linie (Hapag) lautete ganz unbescheiden: Unser Feld ist die Welt.
    Generalsekretär der Hapag war Albert Ballin (1857   –   1918), der das Unternehmen wie kein Zweiter verkörperte und
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