Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schattenflotte

Die Schattenflotte

Titel: Die Schattenflotte
Autoren: Boris Meyn
Vom Netzwerk:
Kopf. «Ich kann mich nicht erinnern, was genau geschehen ist   … Es klopfte an der Tür, und ich habe geöffnet. Da stand ein Mann mit einer Melone auf dem Treppenabsatz, blickte mich scharf an und fragte, ob ich die Gattin von Herrn Bischop sei. Ich bekam einen riesigen Schreck, weil der Mann so offiziell wirkte, und ich dachte, dir sei vielleicht etwas geschehen. Als ich seine Frage bejahte, drückte er mir mit Gewalt einen Wattebausch vor das Gesicht und drängte mich in den Windfang. An mehr kann ich mich nicht erinnern, er muss mich mit irgendetwas betäubt haben. Aufgewacht bin ich in dem Zimmer, aus dem mich August gerade befreit hat. Was ist denn hier überhaupt los? Wo sind wir, und was machen August, Edgar, Jupp und die anderen Genossen hier?»
    Sören machte einen tiefen Atemzug. «Später, Tilda. Das erkläre ich dir alles später.» Er streichelte ihr zärtlich über die Wange und küsste sie auf die Stirn. «Ich bin so froh, dich unversehrt wiederzuhaben.»
    «Woher wusstest du überhaupt, wo ich war?»
    Sören lächelte sie an. «Es muss Eingebung gewesen sein.»
     
    Die Geräusche, die von unten zu ihnen hinaufdrangen, signalisierten, dass die Polizei inzwischen eingetroffen sein musste. Arm in Arm gingen sie die Treppe in den großen Salon hinunter. Sören erkannte mehrere uniformierte Wachtmeister, zwei von ihnen hielten ein Gewehr im Anschlag, was ihm unangemessen erschien, schließlich waren die drei Männer längst überwältigt. Er registrierte zu langsam, dass hier etwas nicht stimmen konnte. Erst als er den Mann erkannte, der mit gezogener Pistole vor den Uniformierten stand und in diesem Augenblick in seine Richtung blickte, erkannte er den Ernst der Lage. Es war der Kerl, der Waldemar Otte aus dem Hotelfenster geworfen hatte, der Kerl, der ihn verfolgt und sehr wahrscheinlich auch Tilda entführt hatte. Sören versuchte, an seinen Revolver zu gelangen. Im gleichen Augenblick begriff er, dass es zu spät war. Der Kerl richtete die Waffe auf ihn. Schmidlein und die anderen Männer standen mit erhobenen Händen an der Wand, und zwei weitere Polizisten waren dabei, die drei Schurken von ihren Fesseln und Knebeln zu befreien.
    Der Mann blickte Sören gehässig grinsend an. «Sieh da, der Herr Doktor persönlich   … Das hätte ich mir denken können, dass Sie hinter dem Ganzen stecken. Nun, dann müssen wir unseren Plan eben ändern. – Schafft die Frauen hier weg!», rief er den Uniformierten zu. Die dreiSchurken hatten sich inzwischen zu ihm gestellt. «Wir kümmern uns um den Rest der Bagage. – Und Sie, Doktor Bischop   … Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so unvernünftig sind   …»
    Sören hatte Tildas Hand ergriffen und wagte nicht, sich zu rühren. Niemand war mehr in dem Haus, auf dessen Hilfe er hätte hoffen können. Er überlegte verzweifelt, wie sie sich aus dieser Situation befreien konnten, kam aber zu keinem vernünftigen Ergebnis. Sie waren völlig auf sich allein gestellt. Die Männer, die die Polizei verständigt hatten, mussten in eine Falle getappt sein. So, wie es aussah, musste der Kerl einen ziemlich hohen Rang haben, denn er trug Zivil und hatte doch Befehlsgewalt über die Polizisten. Dazu passte auch sein selbstsicheres Auftreten.
    «Mich würde durchaus interessieren, mit wem ich die Ehre habe. Wir hatten ja bereits mehrfach das Vergnügen   …»
    Der Mann lächelte Sören spöttisch an. «Hauptmann Beck, Politische Polizei.»
    Sören versuchte, das Lächeln zu erwidern. «Also einer von Rosalowskys Leuten.»
    «Und im Dienst Seiner Majestät des Kaisers, für besondere Aufgaben im Interesse des Reichs.»
    «Sie Mörder!»
    Hauptmann Beck lachte kurz auf. «Ich wüsste nicht, welche Beweise Sie für diese unverschämte Behauptung vorbringen könnten. Aber das ist auch nebensächlich – Sie glauben doch nicht, dass Sie noch Gelegenheit dazu haben werden   …»
    «Was haben Sie sich dabei gedacht?»
    «Sie wissen, dass es um Höheres geht. Meine Auftraggeber   …»
    «Die wissen doch nichts von Ihren miesen Geschäften hier», fiel ihm Sören ins Wort.
    «Das sind nicht
meine
Geschäfte. Ich habe den Betreibern nur ein wenig zur Seite gestanden. Eine gute Idee, finden Sie nicht?»
    «Wer steckt dahinter?»
    «Das möchten Sie wohl gerne wissen.»
    «Also ein kleiner Nebenverdienst für Sie und Ihre kleinen Gauner bei der Polizei!»
    Einer der Uniformierten fuchtelte nervös mit dem Gewehr in Sörens Richtung.
    Sören ließ sich nicht beeindrucken.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher