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Die Sau und der Mörder

Die Sau und der Mörder

Titel: Die Sau und der Mörder
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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Schulz einen nach dem anderen. Hastig pappte ich meine Rechte aufs
Herz und ließ meine Augen fanatisch glühen, wofür ich ein wohlwollendes Nicken
erntete.
    Als die
Kollegen den Raum verließen und dabei strunzten, wie viele Frauen sie mit wie
viel Promille in der letzten Nacht flachgelegt hatten, suchte ich das Gespräch
mit Friedel Freud.
    »Wie Sie
sicherlich wissen, bin ich heute zum letzten Mal hier«, buckelte ich.
    »Woher wollen
Sie das wissen? Sie kennen Ihre Sozialprognose noch nicht«, musterte Schulz
mich durchdringend. Sollte die ganze Heuchelei für die sprichwörtliche Katz
gewesen sein?
    »Wie lautet
sie denn ?« , fragte ich ungewohnt kleinlaut. Auf meiner
inneren Leinwand sah ich den siebzigjährigen Dieter Nannen im Rollstuhl durch
den Stadtpark gurken und benutzte Kondome vom Boden klauben.
    »Gut«, verzog
sich Friedhelms Mund zu so was wie dem Anflug eines Lächelns. »Sie haben sich
der Tat gestellt und Ihre Handlungsmechanismen analysiert. Da Sie Ihrem Vater
verziehen haben, denke ich, dass Sie auf dem Weg der inneren Heilung sind. Ich
glaube nicht, dass Sie erneut straffällig werden. Allerdings bitte ich Sie,
Ihre Biographie und Lernerfahrungen in der Gruppe zu protokollieren und dem
Amtsgericht zu meinen Händen einzureichen. Ihr Fall ist interessant. Legen Sie
einfach das dar, was Sie uns in den Sitzungen erzählt haben. Chronologisch.
Erst dann kann ich den Abschlussbericht erstellen .«
    Wie bitte?
Woher sollte ich noch wissen, was ich in den Therapiestunden zusammenimprovisiert
hatte.
    »Welchen
Umfang sollen die Ausführungen haben ?«
    »Sie sind ein
intelligenter Mensch und haben in Ihrem Leben viel mitgemacht«, wölbten sich
die buschigen Augenbrauen des Psychologen nachdenklich. »So um die fünfzig
Seiten, würde ich sagen. Allein die Geschichte, wie Sie in der Notunterkunft
für Obdachlose fast ermordet worden sind und diese seelische Krise mit Hilfe
ihres israelischen Kung-Fu-Lehrers gemeistert haben, muss ausführlich
dargestellt werden. Sie sind ein sehr komplexer Charakter, Herr Nannen.
Faszinierend.«
    Hätte ich den
Ball doch lieber flachgehalten, verfluchte ich mein Geschwätz.
    »Das täuscht.
Ich bin nur ein einfacher Mann, der viel Pech im Leben hatte. Reicht nicht
vielleicht die Hälfte? Schließlich muss ich auch noch arbeiten, um den hart
erkämpften Platz in der Gesellschaft halten zu können«, feilschte ich wie auf
dem Kreuzberger Basar.
    Schulz rieb
sich mit seiner schwitzigen Hand über die Halbglatze, die nun auch feucht
glänzte.
    »Sie haben
recht«, überlegte er zu meinen Gunsten. »Der Weg der Resozialisierung ist ein
gläserner Pfad über eine tiefe Schlucht. Bereits ein Windhauch kann zum tiefen
Fall führen. Beschränken Sie die Ausarbeitung auf dreißig Seiten. Die müssen
aber nächste Woche auf meinem Schreibtisch liegen .«
    Er drückte
meine Hand und blickte mir ernst in die Augen: »Bereits im Voraus alles Gute
für Ihr weiteres Leben. Ich hoffe, Sie hier nie wiederzusehen .«
    Da waren wir
völlig einer Meinung. Ich bedankte mich für die Einsichten in mein Seelenleben
und verabschiedete mich. Vier Stunden Plackerei und dreißig Seiten Lügenprosa,
dann konnte ich dieses unangenehme Kapitel endgültig schließen.
     
    Eine Handballhalbzeit später rollte
mein Golf auf den Hof meines Kottens. Meine Schrottkiste brauchte diesmal den
Abend nicht alleine zu verbringen, denn ein rostiger schwarzer Polo mit
verdreckter Heckscheibe parkte vor dem Schweinestall. Als ich den Motor in den
wohlverdienten Feierabend schickte, wurde die Fahrertür aufgerissen.
    Ein
hochgewachsener Mann, Anfang dreißig, dürrer als ein Taliban im Hungerstreik,
mit halblangen schwarz gefärbten Locken, beugte sich ins Auto. Er trug einen
Schottenrock, dazu ein buntgeflicktes Hemd. Auf dem Kopf thronte eine rote
Zipfelmütze. Eine Tasche seines giftgrünen Mantels war halb abgerissen und
offenbarte freien Blick auf ein schwarzes Seidentuch, auf dem verkrusteter
Schnodder klebte. Guten Appetit. Die Silberkette mit einem Rosenanhänger
komplettierte das dezente Erscheinungsbild, während sein Patschuliduft den
Güllegestank vom Nachbarfeld übertünchte. Leider. Ich erlitt einen Anfall
akuter Klaustrophobie.
    »Bon jour,
bon jour, ich bin hocherfreut, dem Meister endlich persönlich ins Antlitz
blicken zu dürfen«, streckte er mir eine mit Fledermaus- und Drachenringen
geschmückte Hand vor die Brust.
    »Darf ich
bitte aussteigen ?« , drängte ich ihn aus der Tür, wobei
er
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