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Die Satansbraut

Titel: Die Satansbraut
Autoren: Catherine Coulter
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flüchtigen Blick in den Spiegel fest, daß sie ja noch nicht gekämmt war, ganz zu schweigen von ihrer Blässe und den dunklen Ringen unter ihren Augen. Eine schöne Hure war sie, so verführerisch wie eine zerbrochene Muschelschale. Oh, es tat so weh, die Haare zu bürsten! Bei jedem Bürstenstrich schien ein Dolch ihre Brust zu durchbohren.
    »Jeremy, könntest du mir die Haare bürsten?«
    Er legte verwirrt den Kopf zur Seite und warf ihr einen fragenden Blick zu. Als sie nur wortlos den Kopf schüttelte, näherte er sich mit gerunzelter Stirn. »Bist du müde oder sowas, Sophie?«
    »Ja, sowas Ähnliches.« Sie gab ihm die Bürste und setzte sich. Er stellte sich nicht gerade geschickt an, aber sie lobte sein Werk und schaffte es sodann mit Mühe, die kastanienbraune Haarflut mit einem schwarzen Samtband im Nacken zusammenzubinden.
    »So, Master Jeremy, und jetzt wird gefrühstückt!«
    »Du bist krank, Sophie, stimmt's?«
    Es war im Grunde keine Frage, sondern eine Feststellung. Sie strich ihm leicht über die Wange, denn sie konnte an seinen Augen ablesen, daß er sich ernsthaft Sorgen machte. »Nein, mir fehlt nichts. Nur ein bißchen Bauchweh, sonst nichts, ich schwör's dir. Ein paar von Tildas köstlichen Brötchen, und mir geht's wieder blendend.«
    Beruhigt hüpfte Jeremy vor ihr her. Zumindest bezeichnete sie seine Bewegungen, die anderen vielleicht unbeholfen und unkoordiniert Vorkommen mochten, als fröhliches Hüpfen. Er war ein glücklicher kleiner Junge, der sich erstaunlich gut entwickelte. Sie liebte ihn mehr als alles auf der Welt, und sie war für ihn verantwortlich. Er war der einzige, der sie vorbehaltlos liebte.
    Onkel Theo saß im Frühstückszimmer. Die Verandatüren waren weit geöffnet, und eine leichte Brise sorgte für angenehme Kühle. In der Ferne funkelte das Meer in der strahlenden Morgensonne. Es duftete nach Hochsommer, nach Rosen, Jasmin, Hibiskus, Bougainvillea, Kassie, Mandeln und Rhododendron. In der größten Mittagshitze waren diese Gerüche fast überwältigend. Doch jetzt, am frühen Morgen, war es ein Paradies von Düften. Trotzdem hatte Sophie keine Freude daran. Sie konnte sich überhaupt kaum noch an Schönheit irgendwelcher Art erfreuen. Schon lange nicht mehr. Seit einem Jahr. Nein, seit fast dreizehn Monaten.
    Seit fast dreizehn Monaten war sie nun schon eine Hure. Seit dreizehn Monaten wurde sie von den Frauen anderer Plantagenbesitzer geschnitten, wenn man sich beim Einkaufen in Montego Bay zufällig begegnete. Hier in Camille Hall wurde sie von ihnen natürlich nicht geschnitten, weil die Damen ihren lieben Onkel viel zu sehr bewunderten, um ihm so etwas anzutun. Nein, hier behandelten sie sie mit kalter Höflichkeit.
    »Es gibt keine Brötchen, Sophie«, rief Jeremy. »Soll ich Tilda danach fragen?«
    »Nein, nein, mein Lieber. Ich esse frisches Brot, das schmeckt genauso gut. Setz dich hin und frühstücke.«
    Das brauchte man Jeremy nie zweimal zu sagen.
    Theodore Burgess blickte von seiner Zeitung auf, einer nur sieben Wochen alten Londoner Gazette, denn die englischen Schiffe kamen pünktlich auf Jamaika an.
    Er musterte Sophie, nahm zufrieden zur Kenntnis, daß ihre Augen auf anhaltende Schmerzen hindeuteten, und verkündete: »Wir beide werden uns unterhalten, sobald du gegessen hast, meine Liebe. Es gibt einiges zu besprechen, und ich weiß ja, wieviel dir daran liegt, immer meinen Wünschen zu entsprechen. Ah, iß doch noch etwas. Ich weiß, daß die Hitze einem den Appetit verschlägt, aber du wirst mir noch viel zu dünn.«
    Jeremy achtete nicht auf das Gespräch, vollauf damit beschäftigt, seine geröstete Yamswurzel dick mit Butter zu bestreichen.
    »Ja, Onkel«, sagte Sophie. »In deinem Arbeitszimmer. Nach dem Frühstück.«
    »So ist es, meine Liebe. Und was dich betrifft, mein guter Junge, so wirst du mich heute in die Brennerei begleiten. Ich möchte, daß du einige Arbeitsprozesse lernst. Es wird dort heiß wie im Höllenfeuer sein, aber wir bleiben nur solange, bis du einigermaßen verstehst, wie Rum erzeugt wird, und welche Maßnahmen Mr. Thomas ergreift, um die Sklaven daran zu hindern, uns zu bestehlen und unsere Gewinne zu versaufen.«
    Die Freude in Jeremys Augen verstärkte Sophies Schmerzen nur noch mehr.
    Samuel Grayson hatte beobachtet, daß Ryders weißes Hemd ihm am Rücken klebte, daß sein dichtes hellbraunes Haar vom Schweiß dunkel glänzte und sein Gesicht von der Sonne gerötet war, als er mittags nach Hause kam, nachdem er
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