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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition)
Autoren: Petra Durst-Benning
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Ihre Ohren schmerzten vom Hören, ihre Augen brannten vom Sehen. Sie hatte Kopfschmerzen, ein ganzes Gewitter mit Blitz und Donner tobte in ihrem Kopf. Jeder klare Gedanke kostete sie unendliche Mühe. Irgendwann begriff sie, dass in ihrem Kopf derselbe Sturm tobte, in dessen Krallen auch Valentin gefangen war. Sie spürte, was er spürte. Nahm seine Leiden auf ihre Schultern. Nimm dich nicht so wichtig, schimpfte sie sich gleich.
    Zuweilen rief er ihren Namen, flüsterte ihn manchmal nur, schien sie aber nicht wahrzunehmen. Ich bin da!, wollte sie ihm zurufen – Margarita hatte gesagt, es wäre wichtig, dass er ihre Stimme hörte, auch im Fieberwahn –, aber sie kam sich lächerlich dabei vor. Ich bin da. Das sollte reichen? Margarita flossen die Worte leicht von den Lippen, das hatte sie am Nachmittag selbst miterleben können. Sie erzählte Valentin Belanglosigkeiten, stellte Fragen, auf die sie keine Antworten erwartete, sie lachte sogar in seiner Gegenwart. Auf den ersten Blick war nicht zu erkennen, wie viel Mühe diese an den Tag gelegte Sorglosigkeit Margarita kostete, doch Seraphine sah die Qual in den Augen der anderen. Margarita liebte diesen Mann. Dennoch hatte sie Seraphine zu ihm geschickt.
    Dennoch? Nein, gerade deshalb.
    »Er ist dein Mann«, hatte sie gesagt.
    Seraphine konnte das nicht verstehen. Wenn sie ihn wirklich und wahrhaftig liebte, warum kämpfte sie nicht? So, wie sie um Helmut gekämpft hatte. Vergeblich. Wusste Margarita, dass auch ihr Kampf vergeblich sein würde? Wenn ja, woher wusste sie es? Und warum war ihr, Seraphine, dieses Wissen verwehrt geblieben? Helmut war mit Hannah glücklich – warum hatte sie diese Wahrheit nicht sehen wollen? Warum hatte sie nicht so großherzig sein können wie Margarita? Helmutwar glücklich – dieses Glück hätte sie ihm doch irgendwann gönnen müssen!
    So viele Fragen. Und keine Antworten. Nirgendwo in dieser schmucklosen Kammer, in der sich das Auge an keinem schönen Webteppich, an keinem Aquarellgemälde festhalten konnte. Und doch war hier so viel Liebe zu spüren. Fast greifbar war sie! Mehr Liebe, als Seraphine je gespürt hatte. Margaritas Liebe.
    Seraphine flüchtete. Lief in die Küche, wo Margarita immer noch schlaflos saß, und bat diese, sie für eine Weile an Valentins Bett abzulösen. Sie musste ihre Bitte nicht zwei Mal vortragen, kaum war sie ausgesprochen, stürzte die andere schon an ihr vorbei und ins Krankenzimmer. So viel Liebe …
    Ein Tuch gegen die Kälte um die Schulter geschlungen, trat Seraphine vors Haus. Die kalte Luft auf ihrer Stirn tat gut, sie zwang sich, tief einzuatmen, und bald wurde das Pochen in ihrem Kopf schwächer. Aus keinem der vielen Fenster fiel Licht, Straßenlaternen gab es auch nicht, die Dunkelheit umschloss sie wie ein riesiger Schlund. Seraphine blinzelte, machte dann ein paar zaghafte Schritte über den Hof. Kies knirschte unter ihren Füßen, manchmal trat sie auf etwas Weiches – herabgefallenes Laub vielleicht. Als sich ihre Augen an die Nacht gewöhnt hatten, schaute sie erneut nach oben. Ein paar trübe Sterne zierten den schwarzen Himmel, der Mond sah aus wie eine unscharf gewordene Sichel. Sie fröstelte.
    Die Sonne und der Mond – was für ein Unsinn!
    Ein anderer Gedanke kam, das Denken fiel ihr hier draußen leichter: Dort hinten, in der Tulpenhalle, hatte sie gesessen und gemalt. Valentin hatte auf sie gewartet, so, wie er immer auf sie gewartet hatte.
    Er liebt dich mehr als sein Leben , hatte Margarita gesagt.
    Und sie? Sie hatte diese Liebe mit Füßen getreten.
    Wie viel wusste Margarita von Valentin und ihr? Was hatte er ihr offenbart?
    Er leidet so sehr an seiner großen Liebe! Wenn er stirbt, trägst du die Schuld! Du allein und niemand anders!, hatte Margarita ihr an den Kopf geworfen.
    Also wusste sie alles.
    Warum hasste diese Frau sie dann nicht?
    Ich, ich, ich! Das ist wohl deine ewig alte, ewig gleiche Leier! Nun, hier draußen, in der Dunkelheit der Nacht, hatte sie Margaritas Worte laut und unverfälscht im Ohr. Seraphine hielt in ihrem Rundgang durch den Hof inne, legte den Kopf schräg, als lausche sie auf eine Fortsetzung dessen, was die andere ihr gesagt hatte. Als nichts kam, hörte sie tief in sich hinein.
    Was wäre gewesen, wenn sie einmal weniger an sich selbst und dafür einmal mehr an Valentin gedacht hätte?
    Sie schüttelte sich. Diese Art von Fragen war neu für sie, sie wusste nicht, was sie davon halten sollte.
    Als sie wieder ins Haus trat,
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