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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition)
Autoren: Petra Durst-Benning
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die andere ihre Abneigung, wich sie ein Stück zurück, gab Margarita den Fluchtweg frei. Ihre Blicke kreuzten sich. Margarita blieb sitzen.
    »Du liebst ihn.«
    Wie vom Blitz getroffen, zuckte Margarita zusammen. Schwieg.
    »Das ist gut«, sagte Seraphine dumpf. »Valentin hat eine Frau verdient, die ihn liebt. Ich … ich kann es nicht. Ach, wenn ich es nur gekonnt hätte! Aber in meinem Herzen war nur Platz für Helmut, die Liebe zu ihm hat mich aufgefressen, hat mich alle Kraft gekostet. Ich war besessen, damit musste ich leben. Damit musste auch Valentin leben.« Sie verstummte. »Es tut mir so Leid«, sagte sie dann. »Was würde ich dafür geben, wenn ich irgendetwas tun könnte! Die Zeit zurückdrehen, klüger sein, die Dinge erkennen, wie sie sind … Aber nun ist es zu spät.«
    »Es ist nie zu spät«, erwiderte Margarita, ein Hauch von Trotz in ihrer Stimme. Sei still , beschwor eine innere Stimme sie. Sag nichts, was du später bereuen wirst.
    »Ich hätte nicht geglaubt, dass ich ihn so vermissen würde. Valentin, meine ich, nicht Helmut!«, fügte Seraphine raschhinzu, als befürchte sie einen neuerlichen Wutausbruch von Margarita. »Unser Schlafzimmer zu Hause … Es ist so leer! Als ob ich schon längst eine Witwe wäre. Manchmal denke ich, gleich kommt er zur Tür herein und sagt etwas, was mich ärgert. Aber er kommt nicht. Und jetzt –« Ihre Augen richteten sich auf die Tür. Am anderen Ende des Ganges pflegte Gottlieb seinen Sohn. »Jetzt stirbt er vielleicht, und ich kann ihm nicht einmal mehr sagen, wie Leid mir alles tut.«
    Margarita schloss die Augen. Bitte, lieber Gott, gib mir die Kraft, zu tun, was ich tun muss. Für Valentin, nicht für mich.
    »Valentins Leben hängt am seidenen Faden. Dass er überhaupt noch lebt, ist für den Arzt ein Wunder.« Sie sprach plötzlich ruhig, als wären es Worte, die sie auswendig gelernt hatte. »Vielleicht ist es tatsächlich ein Wunder. Ich nenne es … Liebe.« Der Kloß in ihrem Hals wurde härter, das Sprechen fiel ihr nun schwer. Was, wenn ihr Gefühl trog? Wenn Seraphine doch nicht Valentins Lebenselixier war, sondern sein Todesstoß? Sein Fieber war gestiegen, nachdem sie an sein Bett getreten war.
    Vielleicht wäre es ihr leichter gefallen, wenn sie bei der anderen Liebe gespürt hätte. Reue konnte sie erkennen, Selbstvorwürfe vielleicht auch, aber Liebe?
    Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus. Vielleicht würde Reue ausreichen. Wenn Valentin und sie in Frieden auseinander gingen, wenn er ihre Entschuldigung annehmen konnte, dann wäre er vielleicht irgendwann frei für ein neues Leben, eine neue Liebe. Für sie.
    Und wenn nicht …
    Bitte, lieber Gott, hilf mir. Ich muss es tun, für Valentin.
    Ihre Lippen bebten, als sie weitersprach.
    »Der Arzt hat auch gesagt, er glaube, dass Valentin auf etwas wartet. Dass er sich deshalb am Leben festklammert.«
    Seraphine nickte kaum merkbar. Aber in ihren Augen sahMargarita etwas, was zuvor nicht da gewesen war. Ein Funke Hoffnung?
    Sie gab sich einen letzten Ruck. Nahm Seraphines Hand, drückte sie.
    »Geh zu ihm. Er ist dein Mann.«

59
    Es wurde die längste Nacht in Seraphines Leben.
    Valentin schlief, wenn man das wilde Aufbäumen und gleich darauf das tiefe Absinken Schlaf nennen konnte. Sein Gesicht leichenblass im einen, hitzig rot im nächsten Moment. Manchmal kam sein Atem so rasch, dass sie befürchtete, er würde einen Krampf bekommen. Dann wieder lag er so totenstill, dass sie ihr Ohr an seine Brust legte, um festzustellen, ob sein Herz überhaupt noch schlug.
    Leiden war ihre zweite Natur, etwas, was sie wie ein gut sitzendes Mieder überstreifte – dieser Überzeugung war sie bisher gewesen. Sie war gut im Leiden, besser als die meisten anderen Menschen, die sie kannte. Doch sie hatte sich getäuscht. Alles Leiden war nichts im Vergleich zu dem, was sie an Valentins Bett durchlebte.
    Da waren sie nun endlich vereint und beide dem Tod näher als dem Leben.
    Sie hatte Angst. Davor, dass die Nacht nie enden würde. Angst vor dem, was am Ende der Nacht stehen würde. Seraphine konnte sich kein Morgen vorstellen.
    Gottlieb hatte sich schon vor Stunden zu Bett gelegt, und kurze Zeit später war Piet nach Hause gekommen. Nachdem er in der Küche ein paar Worte mit Margarita gewechselt hatte, war er die Treppe hinaufgepoltert. Danach wurde es still im Haus.
    Keinen Moment ließ Seraphine Valentin aus den Augen, beobachtete jede seiner Regungen, versuchte seinen Zustand zu deuten.
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