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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition)
Autoren: Petra Durst-Benning
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Vielleicht betete sie deshalb weiter.
    Valentin lebte.
    Seraphine sah die rothaarige Frau, die ihn pflegte. Sah den Glanz in ihren Augen, wenn sie von dem Kranken sprach. Sah,wie sie sich besitzergreifend vor der Tür seines Zimmers platzierte, als wolle sie niemanden zu ihm lassen.
    Seraphine schreckte zurück, ließ Gottlieb den Vortritt zu seinem Sohn, täuschte Müdigkeit vor, verkroch sich in einer fremden Kammer, in der die Einsamkeit so spürbar war wie zu Hause in ihrem eigenen Schlafzimmer.
    Und sie verspottete sich ob der Hoffnung, der sie sich hingegeben hatte. Was für eine Aufgabe? Etwas wieder gutmachen?
    Gott hatte dafür längst eine andere ausgesucht.
    Es war ein Fehler gewesen, Valentins Familie zu benachrichtigen, davon war Margarita inzwischen überzeugt. Aber es war zu spät, um diesen Fehler rückgängig zu machen. Am liebsten hätte sie Seraphine und Valentins Vater im hohen Bogen vor die Tür gesetzt. Stattdessen setzte sie ihnen einen Teller Eintopf vor. Nachdem Piet das Tischgebet gesprochen hatte, war außer Schmatzen und dem Schlagen der Löffel nichts mehr zu hören.
    Die Gäste aus Gönningen waren am frühen Vormittag angekommen, staubig, erschöpft, außer Atem, als wären sie den weiten Weg gerannt. Seitdem hatten sie die Zeit abwechselnd an Valentins Bett verbracht, wobei der Vater den weitaus größeren Teil der Krankenwache übernahm.
    Iss, du musst bei Kräften bleiben , sagte Margarita zu sich selbst und lauschte wie immer mit einem Ohr in Richtung Krankenzimmer. Alles still. Ein gutes Zeichen? Mechanisch kaute sie auf den Bohnen und Kartoffeln herum, ohne etwas zu schmecken. Jeder Bissen kratzte in ihrem Hals, wurde mit Mühe hinuntergeschluckt. Kaum hob sie ihren Blick über den Teller und sah die andere, musste sie würgen, damit ihr nicht wieder alles hochkam.
    Im Gegensatz zu ihr langten die Gäste beherzter zu. Schon hielt Gottlieb Kerner seinen Teller hoch, um einen Nachschlagzu bekommen. Über die Suppenkelle hinweg brachte Margarita ein Lächeln zustande.
    Er war ein guter Mann. Daran bestand kein Zweifel. Er war es auch nicht, der seinem Sohn schadete.
    Kaum angekommen, hatte er sich ans Krankenbett gesetzt – alle im Haus weigerten sich, es ein Totenbett zu nennen, obwohl der Arzt sie bei jedem Besuch darauf aufmerksam machte, dass noch nichts überstanden war. Stundenlang hatte er seinem Sohn feuchte Tücher auf die Stirn gelegt, ihm tropfenweise Wasser zwischen die aufgeplatzten Lippen geträufelt.
    Sie hatte nach einem Zimmer gefragt, in dem sie etwas ruhen konnte, zu erschöpfend wäre die Reise gewesen. Und da ja Gottlieb nun bei Valentin war …
    Margaritas Herz hatte bis in den Hals hinauf geschlagen, während sie dem mageren, blutleeren Ding ein Zimmer zuwies. Das ist sie , war es ihr heiß durch den Kopf geschossen. Immer wieder: Das ist sie ! Keine fünf Sätze hatte sie zustande gebracht, war geflüchtet, so schnell sie konnte. Vor der Widersacherin. Vor der Frau, vor der auch Valentin geflüchtet war. Die Schuld daran hatte, dass sein Herz verblutete, dass sein Verstand fieberte.
    Es hatte eine halbe Ewigkeit gedauert, bis sich Margarita wieder beruhigen konnte. Dann war sie zu Valentin gegangen, hatte sich neben seinen Vater gesetzt.
    Gottlieb Kerner sprach nicht viel mit dem Kranken, im Gegensatz zu Margarita selbst, die ihm stundenlang irgendwelche Dinge erzählte, weil sie glaubte, er würde ihre Stimme hören, irgendwo in seinen fiebrigen Welten. Aber schon die Präsenz des Vaters schien eine gute Wirkung auf Valentin zu haben. Sobald Gottlieb da war, schlief der Kranke ruhiger, flatterten seine Lider weniger, schwitzte er weniger.
    Für den Arzt war es ein Wunder, dass Valentin überhaupt noch lebte. »Er klammert sich am Leben fest, als warte er aufetwas«, hatte er am Abend zuvor kopfschüttelnd gesagt und dann festgestellt, dass wenigstens der Durchfall nun endgültig überwunden war. Als ob Margarita das noch nicht selbst gemerkt hätte.
    Margarita spürte, dass es mit Gottlieb Kerner selbst gesundheitlich auch nicht zum Allerbesten stand, doch sie wusste nicht, was den alten Mann plagte. War es die lange Reise? Ein Altersleiden? Da er nicht klagte, fragte sie nicht. Doch sie sah die Grimassen, die er schnitt, wenn er sich unbeobachtet glaubte. Deshalb hatte sie ihm eine Tasse Tee gebracht, dazu ein Butterbrot, und beides hatte er so hastig hinuntergeschlungen, dass Margarita ein schlechtes Gewissen bekam, weil sie den Gästen nicht gleich bei
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