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Die Sakristei Des Todes

Die Sakristei Des Todes

Titel: Die Sakristei Des Todes
Autoren: Paul Harding
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merkwürdig, daß uns die
Vergangenheit immer lieblicher erscheint als die
Gegenwart?«   
    »Na komm, Bruder«, drängte Cranston
sanft, »wir haben in dieser Sache keine Wahl.« Er lächelte schief.
»Um der Liebe Gottes willen, Athelstan: Denk an die, die jetzt tot
sind, brutal ermordet. Ihr Blut schreit nach Rache, und wir tun
Gottes Werk ebenso wie das des Königs.« Athelstan nickte und folgte
Sir John ins Gebäude und durch den steingepflasterten Korridor zum
Zimmer des Pater Prior. Pater Anselm und die übrigen waren bereits
versammelt. »Du hättest uns melden sollen, daß du da bist, Bruder«,
erklärte der Prior vielsagend.
    »Warum?« erwiderte Athelstan knapp
und mit Schärfe. »Damit der Mörder hier einen weiteren Anschlag auf
mein Leben unternehmen kann?«
    Der Prior machte runde Augen vor
Staunen und Ärger. »Bruder Athelstan, eine solche Anschuldigung
verlangt Beweise.«
    »Die haben wir«, erklärte Cranston.
Er schaute in die Runde derer, die er seine geheimniskrämerischen
Brüder nannte: Niall und Peter, hin und her gerissen zwischen
Streitsucht und Neugier, und die Inquisitoren mit ihren ernsten
Gesichtern. Er sah, daß William de Conches bereits Platz genommen
hatte und nervös auf der Tischplatte trommelte. Eugenius funkelte
Athelstan an, und Bruder Henry stand mit verschränkten Armen da und
starrte auf den Tisch. »Beweise habt Ihr, sagt Ihr?« stichelte
Eugenius. »Was denn für Beweise, Sir John? Dieses Generalkapitel
ist zunichte gemacht, weil wir herumsitzen und darauf warten, daß
Ihr diese Angelegenheit aufklärt. Pater Prior, wir warten jetzt
nicht länger. Soll Cranston sagen, was er zu sagen hat, und dann
sind wir fort.«
    Der Coroner richtete sich zu voller
Größe auf. »Hinsetzen!« donnerte er. »Glaubt mir, Bruder, wir
werden Euch nicht lange aufhalten.«
    Die Dominikaner schauten den Pater
Prior an, um zu hören, was er dazu meinte. Er nickte nur. »Ja, ja«,
murmelte er. »Tut, was Sir John sagt. Wir wollen uns setzen.« Sie
nahmen an dem langen, polierten Tisch Platz, Pater Prior an einem
Ende, Cranston und Athelstan am anderen. Einwände wurden erhoben
gegen Bruder Norberts Anwesenheit und gegen den Knüttel, den er bei
sich trug, aber auch hier setzte Cranston sich brüllend durch. Der
Prior zuckte die Achseln, klopfte Schweigen gebietend auf den Tisch
und funkelte Athelstan an.
    »Bruder«, begann er, »in einer
halben Stunde versammeln wir uns zur Feier des heiligen Hochamts.
Der Großinquisitor und Bruder Eugenius haben entschieden, daß
Bruder Henry von Winchesters Schriften keinerlei Ketzerei
enthalten, und die Brüder Niall und Peter erklären, sie können
aufgrund der Heiligen Schrift und der Überlieferung die Wahrheit
dessen, was er schreibt, nicht bestreiten.« Der Prior rieb sich das
müde, zerfurchte Gesicht. »Wenn du also nicht klar und umfassend
erklären kannst, wie die schrecklichen Todesfälle zustande gekommen
sind, dann werde ich die Sitzung des Generalkapitels für beendet
erklären, wir werden die Messe feiern, und jeder wird seiner Wege
gehen. Hast du verstanden?«
    »Ja, Pater Prior.« Athelstan nahm
den Lederbeutel, zog das Buch heraus und schob es über den Tisch
zum Prior hinüber. »Lest! Schlagt an der Stelle auf, die das
purpurne Seidenband markiert.«
    »Warum soll ich das
lesen?«
    Alle waren verstummt und schauten
Athelstan an. »Ihr sollt es lesen, Pater Prior«, verkündete
Cranston und erhob sich; »weil es beweist, daß unser junger
Theologe hier, Bruder Henry von Winchester, ein Lügner, Dieb und
Mörder ist.«
    Der beschuldigte Dominikaner lehnte
sich an den Tisch. Erbost schaute er Cranston an, dann das Buch,
und seine Hand schoß vor; er hätte das Buch an sich gerissen, wenn
Bruder Norbert sich nicht vorgebeugt und ihn hart aufs Handgelenk
geschlagen hätte.
    Cranston grinste den jungen
Laienbruder an. »Gut gemacht, Norbert, mein Sohn. Wenn du je aus
Blackfriars weggehst, kann ich dir einen guten Posten bei meiner
Garde zusichern.«
    Athelstan blieb stumm sitzen und
ließ den Coroner fortfahren, denn ihm tat es im Herzen weh, daß er
hier im großen Kloster von Blackfriars einen Dominikanerbruder des
Mordes an vier Mitbrüdern anklagen sollte. Henry von Winchester war
bleich geworden; seine dunklen Augen blickten starr wie die eines
gefangenen Tieres.
    »Du bist ein Lügner«, bezichtigte
ihn Cranston, »weil du Behauptungen aufstellst, die falsch sind. Du
bist ein Dieb, weil du das Werk der Hildegarde von Bingen
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