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Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers

Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers

Titel: Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers
Autoren: Monika Felten
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Toren, wenn auch nur ein einziges Ei zerbrochen ist, wirst du dafür büßen.« Der Junge zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen und schluchzte auf. In demütiger Haltung kroch er auf Knien über das Pflaster und sammelte ein, was den Füßen der Marktbesucher entgangen war. Dabei zitterte er am ganzen Leib, denn die glitschige, gelbliche Masse, die das Pflaster schlüpfrig machte, war ein untrügliches Zeichen dafür, dass nicht ein einziges der zwei Dutzend Eier heil geblieben war.
    Paira, die sich eilig gebückt hatte, um die Scherben des tönernen Krugs aufzusammeln, entging nicht, wie es um den Jungen stand. Er tat ihr Leid. Es war nicht recht, dass er für ihre Unachtsamkeit büßen sollte, schließlich konnte er nichts dafür, dass sie ihn umgerannt hatte.
    In der Hoffnung, den Knaben vor der bevorstehenden Züchtigung zu bewahren, stand sie auf und sagte mit fester Stimme: »Den Jungen trifft keine Schuld.«
    »Was geht dich das an?«, knurrte der Dicke. »Er steht in meinen Diensten. Ich bestrafe ihn, wann immer ich es für richtig halte.« Die Stimme klang erstaunlich jung. Paira vermutete, dass der Mann kaum mehr als zwanzig Sommer gesehen hatte, wenngleich die Fettleibigkeit ihn weitaus älter erscheinen ließ.
    »Aber ich bin schuld daran, dass er den Korb hat fallen lassen.« Pairas Stimme wankte nicht. »Sagt mir, was ich Euch schulde. Ich werde Euch die Ware ersetzen.« Sie ahnte, dass der Wert der verdorbenen Ware die Tageseinnahmen des Marktstandes ihrer Mutter überstieg, aber sie wollte für den Schaden aufkommen. Sie würde sich das Geld irgendwo leihen und es wieder abarbeiten. Das Angebot gefiel dem Dicken. Plötzlich schien er allen Arger vergessen zu haben. »Ja, was schuldest du mir, Weib?«, fragte er mit anzüglichem Lächeln und musterte Paira auf eine Weise, die ihr die Schamröte ins Gesicht trieb. »Womit könnte ein so hübsches Kind wie du seine Schuld für dieses Missgeschick wohl am besten abtragen?« Er grinste unverschämt und fuhr sich mit den dicken Fingern sinnend über die wulstigen, feucht glänzenden Lippen. »Du schuldest mir...«
    »Sie schuldet Euch zwei Dutzend Eier und fünf Äpfel!« Die Menge der Umstehenden, die die Auseinandersetzung mit angehaltenem Atem verfolgten, teilte sich, und ein hoch gewachsener Nebelelf in heller lederner Jagdkleidung trat neben Paira. Er war fast einen Kopf größer als sie und hatte langes hellgraues Haar, das, wie bei den Elfen üblich, im Nacken mit einem Lederband zusammengehalten wurde, so dass die spitz zulaufenden Ohren seiner Rasse gut zu sehen waren. Paira staunte. Es kam häufig vor, dass die Bewohner der Sümpfe von Numark den Markt in Nimrod besuchten, um hier Geschäfte zu tätigen, doch Paira hatte sie stets als äußerst zurückhaltend erlebt. Sie waren immer freundlich und zuvorkommend, gingen jedem Streit aus dem Weg und mischten sich schon gar nicht in Dinge ein, die andere betrafen. Deshalb wunderte es sie umso mehr, dass sich ein Angehöriger des langlebigen Volkes in den Streit einmischte und Partei für sie ergriff.
    Das plötzliche Auftauchen des Nebelelfen schien den Dicken zu verärgern. »Du musst es ja wissen, Elf«, schnaubte er. »Ihr Nebelelfen glaubt ja immer, alles zu wissen. Ihr haltet euch für so unendlich weise, dass einem davon übel werden kann.« Er spuckte verächtlich auf den Boden.
    »Sie schuldet Euch zwei Dutzend Eier und fünf Äpfel«, wiederholte der Elf ungerührt, als hätte er die Beleidigungen nicht gehört. »Und dieser Knabe«, fuhr er fort, während er neben den Pagen trat und ihm beim Aufstehen half, »ist Euer Bediensteter, nicht aber Euer Eigentum. Er hat ein Recht auf anständige Behandlung und wird von Euch doch nicht etwa für ein Missgeschick bestraft werden, an dem er keine Schuld trägt.« Die letzten Worte unterstrich er mit einem so schulmeisterlichen Ton, dass der Dicke mürrisch das Gesicht verzog. Sein Blick huschte nervös über die Gesichter der Umstehenden, die die Szene gespannt beobachteten. Alle wussten, dass der Elf Recht hatte, und der Dicke spürte, dass er sich jetzt keine Blöße geben durfte.
    »Selbstverständlich werde ich ihn nicht bestrafen«, erwiderte er mit aufgesetztem Lächeln, doch die Worte tröpfelten ihm so mühsam aus dem Mund, als müsste er sich dazu zwingen, sie auszusprechen.
    »Nun, dann ist ja alles geregelt.« Der Elf hob den Korb auf und reichte ihm den Pagen. »Ich bin sicher, Ihr werdet Euren Verlust umgehend ersetzt bekommen.«
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