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Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame

Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame

Titel: Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame
Autoren: Margit Sandemo
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zu bringen. Das hatte die Mutter ihr sorgsam eingeprägt. In der Hochzeitsnacht durfte man sich nicht widersetzen, da hatten die liederlichen Männer das Recht, ihre Ehefrauen zu mißbrauchen. Anette war bereit, schweigend zu leiden. Aber danach… , danach würde sie diejenige sein, die bestimmte.
    Anette fühlte plötzlich, daß ihre Handflächen vor Schweiß klebten. Wenn sie an die vor ihr liegende Nacht dachte, wurde ihr vor Angst und Schrecken ganz schwindlig. Aber sie wollte tapfer aushalten!
    Mikael Lind vom Eisvolk saß neben ihr und ließ die Glückwünsche, die freundlichen, aufmunternden Blicke und all die »witzigen« Andeutungen über die bevorstehende Nacht mit zusammengebissenen Zähnen über sich ergehen.
    Sie hatten noch keine Gelegenheit gehabt, miteinander zu sprechen, Anette und er, und das war für ihn beinah eine Katastrophe. Vielleicht wäre bei einem Gespräch so etwas wie Freundschaft und Vertrauen zwischen ihnen entstanden? Er warf ihr einen verstohlenen Blick zu. Ganz bleich saß sie an seiner Seite, lächelte zitternd, wenn ein Glas zu ihren Ehren erhoben wurde, wagte aber nicht, aufzublicken. Ganz offensichtlich war sie völlig sprachlos. Ich sollte unter dem Tisch ihre Hand nehmen und zur Beruhigung drücken, dachte Mikael. Aber er konnte nicht. Es gab keine Vertrautheit zwischen ihnen. Keine Zusammengehörigkeit. Jetzt waren sie offensichtlich einander fremder, als früher bei ihren zufälligen Treffen im Schloß.
    Ob er sie heute abend allein lassen sollte, um ihr die geistige Qual zu ersparen, die seine Gegenwart für sie bedeuten mochte?
    Er hatte keine Ahnung, daß es nicht die geistige Qual war, vor der Anette zurückschreckte.
    Nein, fuhr er in Gedanken fort. Wenn er sie heute abend allein ließ, würde es für sie nur noch schlimmer werden. Einsam, verlassen, gedemütigt.
    Aber wie um alles in der Welt sollte er das alles überstehen. Diese Nacht, diese Ehe? Dieses Leben!
    Endlich waren all die lärmenden Gäste gegangen. Marca Christiana hatte ihn auf die Wange geküßt und ihm Glück gewünscht. Das konnte er sicher gebrauchen. Der Reichsjägermeister drückte ihm die Hand und murmelte etwas von einer ausgezeichneten Partie, paß gut auf sie auf… Und so war er mit Anette allein in ihren Gemächern, in denen sie bis auf weiteres wohnen sollten.
    Sie hatte lange vor einem Madonnenbild gekniet und Gebete gesprochen, von denen er nichts verstand. Vielleicht hätte er mit ihr zusammen beten sollen, aber irgendwo mußte die Heuchelei ja schließlich ein Ende haben. Stille fiel wie ein schwerer Stein in den Raum. Anette saß in ihrem schönen Hochzeitskleid auf der Außenkante eines Stuhls und zupfte an der Spitzenmanschette, an der der Saum aufgegangen war. Ihr Haar war mit Perlenbändern und einem herrlichen Schleier kunstvoll aufgesteckt. Ihre Taille war so schmal, daß er sich fragte, ob er sie wohl mit seinen Händen umfassen könnte. An einem Versuch war ihm allerdings nichts gelegen.
    Er selber hatte keine Ahnung, was er jetzt machen sollte. Nachdem er einige Schritte hin und her gegangen war, blieb er planlos stehen. Das Mädchen sagte kein Wort.
    Laß es uns hinter uns bringen, dachte sie. Nur wußte er davon natürlich nichts.
    Ein paar Minuten vergingen. Mikael sah ein, daß von ihr keine Hilfe zu erwarten war. Den Anfang mußte er schon selber machen. Aber wie?
    Wütend auf sie, seine Pflegeeltern und auf sich selbst, daß er wie ein Schaf in diese Falle gegangen war, platzte er heraus:
    »Der Fehler ist, daß wir noch nicht miteinander sprechen konnten.«
    Wie Eiszapfen blieben seine Worte im Raum hängen. Lange.
    »Ja«, flüsterte sie und zerdrückte weiterhin das Taschentuch, das sie den ganzen Tag über in der Hand gehalten hatte.
    Was können Worte schon helfen? dachte sie. Ich weiß genau, daß die Männer keine Gespräche mit Frauen führen wollen, die wollen immer nur das eine.
    Mutlos sank er auf den Stuhl neben ihrem. »Dann laß uns jetzt reden!«
    Ein Funken ungläubiger Erleichterung streifte ihr kreidebleiches Gesicht. »Worüber? Was möchtet Ihr wissen?« In Mikael kochte noch immer der Zorn. »Als erstes: Willst du, daß ich gehe? Willst du heute nacht allein sein?«
    Sie zuckte zusammen. Das hatte sie nicht erwartet. Was will er, fragte sie sich in Gedanken. In seinem verschlossenen Gesicht fand sie keine Antwort. War er verärgert? Es sah fast so aus. Was hatte sie denn nur falsch gemacht? Anette zitterte vor Angst.
    »Nein, Ihr könnt gerne
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