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Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund

Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund

Titel: Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund
Autoren: Margit Sandemo
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Erscheinung, jetzt aber war sie leichenblass, und Schweiß rann ihr übers Gesicht.
    Als sie Silje bemerkte, nahm sie all ihre Kräfte zusammen und setzte ihren Weg fort. »Mir kann keiner helfen«, murmelte sie, während sie um die Straßenecke verschwand. Silje sah ihr nach, folgte ihr aber nicht. Es ist wohl wieder die Pest, dachte sie, und gegen die Pest kann ich nichts ausrichten.
    Dann war sie am Stadttor. Es würde erst in einer Stunde geschlossen werden. Silje jedoch wollte nicht wieder in die Stadt zurück. Dort gab es für sie und das Kind keine Hilfe, das wusste sie. Sie musste versuchen, auf dem Land eine Scheune oder einen anderen Unterschlupf zu finden.
    Wenn sie nur keinen Raubtieren begegnete!
    Aber die waren nicht schlimmer als das Gesindel, das sich in der Stadt am Marktplatz herumtrieb. All die betrunkenen Männer und anderen Streuner, die versuchten sie anzufassen, wenn sie in die Nähe ihres Reviers geriet. Die waren der Ansteckungsgefahr gegenüber vollkommen gleichgültig geworden oder nahmen an, dass ihre Zeit so gut wie abgelaufen war. Da wollten sie doch, bevor es zu spät war, noch einmal alle Genüsse des Lebens auskosten.
    Der Torwächter fragte, wohin sie so spät am Abend wolle. Sie erklärte, sei seien wegen ihrer Krankheitssymptome aus der Stadt gewiesen worden, und das akzeptierte er unmittelbar. Mit einer Handbewegung winkte er sie vorbei. Es kümmerte ihn nicht, dass sie die Seuche weitertrugen, und wenn schon! Hauptsache, sie verließen seine Stadt.
    Die Wärme des Feuers dort draußen lockte, und Silje begann rascher zu gehen. Wenn sie nur nicht das Feuer löschten, bevor sie angelangt war. Zunächst jedoch musste sie durch den Wald, der zwischen der Stadt und dem Richtplatz lag. Als sie nach Trondheim gekommen war, hatte Silje sich zu der bösen Stätte, dem Galgenberg, verlaufen. Der Gestank und der schaurige Anblick, der sich ihr bot, hatten sie jedoch so entsetzt, dass sie sich schnell wieder entfernt hatte.
    Nun aber trieb sie die Sehnsucht nach Wärme dorthin. Nur einmal die frierenden Hände zum Feuer halten, den Rücken dort hinwenden und fühlen, wie die Wärme die Kleider bis auf die Haut durchdringt, die seit unzähligen Tagen und Nächten nur Kälte gespürt hatte – es war wie ein Wunschtraum.
    Der Wald... ! Sie blieb am Waldrand stehen.
    Silje hatte Angst vor dem Wald, hatte sie immer gehabt, so wie sie die Leute vom flachen Land oft empfinden. Denn im Wald verbarg sich so viel Unsichtbares.
    Die Kleine wurde zu schwer für Siljes erschöpften Körper, und sie musste sie absetzen.
    »Kannst du selber laufen?«, fragte sie. »Ich nehme dich dann nach einer Weile wieder auf den Arm.«
    Das Kind antwortete nicht, gehorchte aber apathisch und leise schluchzend.
    Die Schatten zwischen den Stämmen waren so schwarz. Siljes Augen hatten sich einigermaßen an die dunkle Nacht gewöhnt, und die Angst überkam sie von Neuem. Sie hatte den Eindruck, hinter den Bäumen geheimnisvolle Gestalten mit leuchtenden Augen zu sehen. Sie dachte, dass schwarz nicht nur schwarz war, sondern aus einer ganzen Skala von Nuancen bestand – denn sie gingen in etwas über, das man Grau nennen konnte.
    Auch die Kleine hatte Angst. Die Angst aber hatte ihr Weinen gedämpft, und sie schmiegte sich ganz fest an Silje und wimmerte ab und zu leise.
    Siljes Mund war trocken. Sie versuchte zu schlucken, um die Trockenheit loszuwerden, die Angst aber konnte sie nicht abschütteln. Sie musste sich Schritt für Schritt vorantasten, immer bemüht, sich auf den Lichtschein auf der anderen Seite zu konzentrieren. Das half einige Male. Sie wagte nicht, sich umzudrehen, hatte sie doch die ganze Zeit das Gefühl, dass ihr unförmige Wesen auf den Fersen waren...
    Als sie den Wald fast zur Hälfte durchquert hatten, spürte Silje, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich und durch den Körper strömte. Sie schnappte nach Luft.
    Von irgendwoher kam das Weinen eines Kindes.
    Aber
dieses
wollte sie nicht, ein solches Weinen konnte sie nicht ertragen!
    Ihr Herz schlug wie verrückt.
    Das Weinen eines Kindes in einem Wald. Hilfloses Jammern eines Säuglings.
    Das konnte nur eins bedeuten – eine Ausgeburt.
    Silje hatte Todesangst vor solchen Geistern ausgesetzter Kinder. Über sie hatte sie unzählige Geschichten gehört und sich immer gefürchtet, dass auch ihr einmal ein solcher Geist begegnen könnte. Sie wusste, dass Ausgeburten lebensgefährlich waren.
    Eine Ausgeburt war der Geist eines Kindes, das heimlich
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