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Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund

Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund

Titel: Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund
Autoren: Margit Sandemo
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– ein junger Mann mit blonden Locken, die Hände auf dem Rücken zusammengebunden, sollte nun aufs Rad geflochten werden.
    »Nein, tut das nicht«, flüsterte sie wieder.
    Sein Profil wurde vom Feuer beschienen, und er war so aufregend jung und schön. Silje krampfte es vor Schmerz das Herz zusammen, sie glaubte, schon jetzt seine bevorstehenden Qualen zu spüren.
    Sie standen dort mit den Folterwerkzeugen, die jeden Knochen in seinem Körper brechen würden.
    Und der Henker – der Blutmeister oder der Scharfrichter oder wie auch immer man ihn nennen wollte – ging schwergewichtig und würdevoll mit einer Axt mit breiter, schwarzer Klinge in der Hand umher.
    Der Gefangene sollte also zuerst gefoltert werden und dann sterben.
    Nein, das wollte Silje nicht. Ihr waren in ihrem Leben noch nicht so viele junge Männer begegnet, aber dieser war etwas ganz Besonderes. Was konnte er sein? Ein Dieb? Nein, dann wäre hier das Aufgebot an Henkersknechten und Wächtern nicht so groß. Er musste etwas sehr viel Feineres sein.
    So weit war sie mit ihren Gedanken gediehen, als eine tiefe Stimme dicht hinter ihr aus dem Wald erscholl und sie heftig und unkontrolliert zusammenzucken ließ.
    »Was machst du hier, Frau?«
    Silje und die Kleine drehten sich jäh um, und die Kleine schrie auf. Silje hätte es ihr am liebsten gleichgetan, sie konnte sich aber beherrschen.
    Mitten zwischen den Baumstämmen stand eine hohe Gestalt, die ihr wie ein Mittelding aus Tier und Mensch erschien. Dann aber sah sie, dass er lediglich in einen halblangen Mantel aus Wolfsfell gekleidet war und dass sein Kopf wegen der zotteligen Kappe dem eines Tieres ähnelte. Und dennoch: Etwas schien mit seinen Schultern nicht in Ordnung zu sein – sie waren kräftig wie die eines Raubtieres. Ein Paar schmale Augen glühten ihr aus einem seltsam scharf gezeichneten Gesicht entgegen, stattlich und zugleich unheimlich. Schnell bleckte er die Zähne, wie zu einem warnenden Wolfsgrinsen. Nur für wenige Augenblicke war er im flackernden Licht des Feuers zu sehen, um gleich darauf wieder im Schatten zu verschwinden. Er stand vollkommen regungslos da.
    Zitternd antwortete sie auf seine Frage: »Ich will mich nur ein bisschen am Feuer wärmen, Herr.«
    »Sind das deine Kinder?«, fragte er mit dieser dunklen, harten Stimme.
    »Meine?«, wiederholte sie nervös lächelnd, steif vor Kälte. »Ich bin erst sechzehn Jahre, Herr. Ich habe diese beiden heute Abend gefunden. Sie waren allein zurückgelassen worden.«
    Er betrachtete sie lange und nachdenklich. Aus lauter Angst vor seiner Erscheinung musste sie die Augen niederschlagen. Auch das Mädchen war ängstlich und versteckte sich hinter Silje.
    »Du hast sie also gerettet«, sagte er. »Willst du heute Nacht noch ein Leben retten?«
    Unter seinem brennenden Blick krampfte sich ihr Herz in unerklärlicher Furcht zusammen. Sie antwortete verwirrt und verlegen: »Noch ein Leben? Ich weiß nicht... verstehe nicht
    »Hunger und Entbehrungen haben dein Gesicht gezeichnet, du kannst also für zwei, drei Jahre älter durchgehen. Du könntest meinem Bruder das Leben retten. Willst du?«
    Ihr fuhr der Gedanke durch den Kopf, dass sie noch nie zuvor derart ungleiche Brüder gesehen hatte. Der hübsche blonde Junge dort unten und dieses Untier hier mit dem dunklen, struppigen Haar, das ihm in die Stirn hing.
    »Ich will nicht, dass er stirbt«, sagte sie zögernd.
    »Aber wie sollte ich ihn denn retten können?«
    »Ich selbst kann es nicht tun«, sagte der Mann. »Es sind zu viele, und alle sind hinter mir her. Die nehmen mich auch noch fest, und davon hätte er nichts. Aber du...«
    Er zog ein kleines, zusammengerolltes Papier aus der Manteltasche. »Hier. Nimm den Brief mit dem königlichen Siegel! Sag ihnen, du bist seine Ehefrau und das sind seine Kinder. Ihr wohnt hier in der Gegend, sein Name ist Niels Stierne, und er ist Gesandter des Königs. Wie heißt du eigentlich?«
    »Silje.«
    Er schnitt eine ärgerliche Grimasse. »Cecilie, dummes Mädchen! Du kannst nicht Silje heißen wie ein dahergelaufenes Bauernmädchen! Du bist Gräfin, vergiss das nicht! Du musst diesen Brief ungesehen in seine Kleider schmuggeln und so tun, als fändest du ihn dort.«
    Das hört sich gewagt an, dachte sie. »Aber wie könnte ich denn als Gräfin durchgehen? Das glaubt doch niemand.«
    »Hast du dir das Kind auf deinem Arm nicht angesehen?«, sagte er kurz.
    Sie senkte den Blick und erschrak. »Nein, aber
    Der Schein des Feuers war stark
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