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Die Säulen der Schöpfung - 13

Die Säulen der Schöpfung - 13

Titel: Die Säulen der Schöpfung - 13
Autoren: Terry Goodkind
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lang begleitete, hatte sie sich nie naher darüber ausgelassen. Jennsen flüchtete sich in diese Zweideutigkeit.
    Wie als Antwort auf ihren Gedanken, ließ sich die Stimme abermals vernehmen.
    Gib dein Fleisch hin, Jennsen.
    Jennsen stockte der Atem.
    Gib deinen Willen hin.
    Sie mußte vor Entsetzen schlucken. Das hatte sie noch nie gesagt –
    nie zuvor hatte die Stimme etwas gesagt, das für sie irgendeinen Sinn ergab.
    Oft hörte sie sie nur ganz schwach – so als wäre sie zu weit entfernt, um sie klar und deutlich zu verstehen; mitunter glaubte sie einzelne Worte unterscheiden zu können, die jedoch einer fremden Sprache zu entstammen schienen.
    Die Flüsterstimme sprach auch noch mit anderen Worten zu ihr, nie jedoch so, daß sie mehr verstand als ihren Namen und die beängstigend verlockende, aus einem kurzen Satz bestehende Aufforderung, sich hinzugeben. Dieser kurze Satz klang jedes Mal eindringlicher als alles andere, und sie hörte ihn stets heraus, selbst wenn die restlichen Worte unverständlich blieben.
    Ihre Mutter behauptete, die Stimme gehöre dem Mann, der Jennsen schon fast ihr ganzes Leben lang umzubringen versuchte; sie meinte, er wolle sie damit quälen.
    »Jenn«, sagte ihre Mutter dann für gewöhnlich, »es ist alles in Ordnung, ich bin ja bei dir. Seine Stimme kann dir nichts anhaben.« Um ihre Mutter nicht zu beunruhigen, erzählte sie ihr oft gar nichts von der Stimme.
    Aber auch wenn diese Stimme ihr nichts anhaben konnte – der Mann konnte es, wenn er sie fand. Plötzlich sehnte sich Jennsen nach den beschützenden, tröstenden Armen ihrer Mutter.
    Eines Tages würde er sie holen kommen, darüber waren sie sich beide im Klaren; bis dahin schickte er seine Stimme vor. Das zumindest glaubte ihre Mutter.
    So beängstigend sie diese Erklärung auch fand, war sie Jennsen doch allemal lieber, als an ihrem Verstand zweifeln zu müssen, denn ohne diesen besäße sie gar nichts mehr.
    »Was ist denn hier geschehen?«
    Jennsen unterdrückte einen erschrockenen Aufschrei, fuhr herum und zog dabei ihr Messer. Dann ließ sie sich in eine geduckte Stellung nieder, die Füße ein Stück weit auseinander, das Messer in todesmutiger Entschlossenheit fest umklammert.
    Das war keine körperlose Stimme – ein leibhaftiger Mann kam den tief eingeschnittenen Wasserlauf zu ihr heraufgestiegen. Das Geräusch des Windes in den Ohren und abgelenkt durch den Toten und die Stimme, hatte sie ihn nicht kommen hören.
    Er war kräftig und bereits so nah, daß er sie – sollte sie fortlaufen und er die nötige Entschlossenheit an den Tag legen – ohne Mühe würde einholen können.

2. Kapitel
    Angesichts ihrer Reaktion und des Messers in ihrer Hand verlangsamte der Mann seine Schritte.
    »Ich hatte nicht die Absicht, Euch einen Schrecken einzujagen.«
    Seine Stimme klang durchaus freundlich.
    »Habt Ihr aber.«
    Obwohl er seine Kapuze hochgeschlagen hatte und sie sein Gesicht nicht genau erkennen konnte, schien ihr daß er ihr rotes Haar musterte, so wie die meisten Menschen, die sie zum ersten Mal sahen.
    »Das sehe ich. Ich bitte um Verzeihung.«
    Sie ließ den Blick suchend nach links und rechts schweifen, um festzustellen, ob der Fremde allein gekommen oder ob noch jemand bei ihm war, der sich womöglich gerade an sie heranschlich.
    Wie eine Idiotin kam sie sich vor weil sie sich so hatte übertölpeln lassen. Im Grunde ihres Herzens wußte sie doch, daß sie sich niemals wirklich sicher fühlen durfte. Es bedurfte keiner List, schon eine simple Sorglosigkeit ihrerseits konnte das Ende bedeuten. Als ihr klar wurde, wie leicht dies geschehen konnte, überkam sie ein Gefühl verzweifelter Schicksalhaftigkeit. Wenn dieser Mann am hellichten Tag kommen und sie so mühelos erschrecken konnte, was sagte dies dann hinsichtlich ihres hoffnungslos übertriebenen Traums, eines Tages über ihr Leben selbst bestimmen zu können?
    Die Felswand der Klippe glänzte dunkel in der feuchten Luft; die winddurchtoste, tief eingeschnittene Schlucht war bis auf sie, den toten Soldaten und den Fremden völlig menschenleer.
    Ein Dutzend Schritte entfernt blieb der Mann stehen; seiner Körperhaltung nach war es nicht die Angst vor ihrem Messer, die ihn hatte anhalten lassen, sondern vielmehr die Befürchtung, sie noch weiter zu verängstigen. Er betrachtete sie ganz unverhohlen und hing dabei scheinbar seinen eigenen Gedanken nach. Was auch immer an ihrem Gesicht ihn so gefangen genommen haben mochte – er hatte sich rasch davon
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