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Die Säulen der Schöpfung - 13

Die Säulen der Schöpfung - 13

Titel: Die Säulen der Schöpfung - 13
Autoren: Terry Goodkind
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Tasche zurückzustopfen. Einige Silberpfennige fielen ihr dabei aus der geschlossenen Hand, doch sie sammelte sie ausnahmslos vom feuchten, hart gefrorenen Boden auf und zwängte ihre Hand abermals in seine Tasche, um sie wieder an ihren ordnungsgemäßen Platz zu legen.
    Sein Rucksack hätte ihr vielleicht mehr verraten können, doch da er mit dem ganzen Körper darauf lag, war sie unschlüssig, ob sie tatsächlich versuchen sollte, einen Blick hineinzuwerfen; vermutlich enthielt er ohnehin nur Vorräte. Alles, was er für wertvoll gehalten hatte, hatte sich wohl in seinen Hosentaschen befunden.
    Wie das Stück Papier.
    Vermutlich lagen bereits alle Beweise, die sie wirklich brauchte, deutlich sichtbar vor ihr. Unter seinem dunklen Umhang und Waffenrock trug er eine steife Lederrüstung. An seiner Hüfte, in einer sehr schlichten, abgewetzten schwarzen Lederscheide, befand sich ein einfaches, jedoch robust gearbeitetes und gefährlich scharf geschliffenes Soldatenschwert; das Schwert war – zweifellos bei dem tiefen, unkontrollierten Sturz des Mannes vom Pfad – in der Mitte durchgebrochen.
    Sie ließ den Blick etwas genauer über das ungewöhnliche Messer wandern, das in der Scheide an seinem Gürtel steckte. Sein Heft schimmerte matt im Dämmerlicht, und es hatte ihre Aufmerksamkeit gleich vom ersten Moment an gefesselt, der Anblick hatte sie geradezu erstarren lassen. Kein einfacher Soldat besaß ein so vorzüglich gearbeitetes Messer, da war sie völlig sicher. Es war unbestreitbar das kostbarste Messer, das sie je zu Gesicht bekommen hatte.
    Auf dem silbernen Heft befand sich ein mit überladenen Verzierungen versehener Buchstabe, ein ›R‹, dennoch war es ein Gegenstand von außerordentlicher Schönheit.
    Ihre Mutter hatte ihr den Umgang mit Messern von Kindesbeinen an beigebracht, deshalb wünschte sie sich, ihre Mutter besäße ebenfalls ein so edles Messer wie dieses hier.
    Jennsen.
    Das leise, geflüsterte Wort ließ Jennsen auffahren.
    Nicht jetzt. Gütige Seelen, nur jetzt nicht. Nicht hier.
    Jennsen.
    Es gab nicht viel, das ihr zeit ihres Lebens verhaßt war, doch diese Stimme, die sie gelegentlich heimsuchte, haßte sie von ganzem Herzen.
    Wie stets, so ignorierte sie sie auch jetzt und zwang sich, ihre Finger zu bewegen und herauszufinden, ob da noch etwas anderes war, das sie über diesen Mann wissen sollte. Sie untersuchte die Lederriemen auf Geheimtaschen, konnte aber keine entdecken; der Waffenrock war von schlichtem Zuschnitt und besaß keine Taschen.
    Jennsen, ließ sich die Stimme abermals vernehmen.
    Sie biß die Zähne aufeinander. »Laß mich in Frieden«, sagte sie deutlich hörbar, wenn auch mit leiser Stimme.
    Jennsen.
    Diesmal klang es anders, fast so, als befände sich die Stimme gar nicht in ihrem Kopf, wie sonst immer.
    »Als mich in Ruhe«, brummte sie unwirsch.
    Gib dich hin.
    Sie sah auf und blickte in die leblosen, starren Augen des Soldaten. Der erste Schleier kalten Regens wogte im Wind. Es fühlte sich an,
    als ob die Seelen der Verstorbenen ihr mit eisigen Fingern über das Gesicht strichen.
    Ihr Herz begann noch schneller zu rasen, und ihr hastiger, unregelmäßiger Atem geriet ins Stocken – wie Seide, die an einem Stückchen trockener Haut hängen bleibt. Die weit aufgerissenen Augen fest auf das Gesicht des Toten geheftet, krabbelte sie, sich mit den Füßen abstoßend, rücklings über das Geröll.
    Albern benahm sie sich, dessen war sie sich vollkommen bewußt. Der Mann war doch tot! Er sah sie nicht an, dazu war er überhaupt nicht fähig. Sein unnachgiebiger Blick war im Tod erstarrt, genau wie bei den toten Fischen, die sie geangelt hatte.
    Jennsen.
    Jenseits der Leiche, oberhalb des steilen Abhangs aus Granitgestein, wiegten sich die Föhren sacht im Wind, und die kahlen Ahornbäume und Eichen schwenkten ihr knorriges Geäst. Jennsen lauschte angespannt auf die Stimme. Die Lippen des Mannes bewegten sich nicht, sie wußte, daß sie sich nicht bewegten. Die Stimme kam aus ihrem Kopf.
    Er hatte das Gesicht noch immer dem Pfad zugewandt, von dem aus er in den Tod gestürzt war. Anfangs hatte sie gedacht, sein lebloser Blick sei ebenfalls in diese Richtung gedreht gewesen, jetzt aber schienen sich seine Augen ein wenig mehr ihr zugewandt zu haben.
    Jennsen schloß die Finger um das Heft ihres Messers.
    Jennsen.
    »Laß mich in Frieden. Ich denke nicht daran, mich hinzugeben.«
    Nie wußte sie, was genau die Stimme meinte; obwohl sie sie schon fast ihr ganzes Leben
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