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Die Saat der Bestie (German Edition)

Die Saat der Bestie (German Edition)

Titel: Die Saat der Bestie (German Edition)
Autoren: Michael Dissieux
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Lampe seine Taschenuhr zu lesen, so wie in jeder vorangegangenen Nacht, fünf Minuten nachdem er seinen Gang begonnen hatte – sozusagen pünktlich wie ein Uhrwerk.
    Er sah auf. Der Strahl seiner Lampe traf direkt in das Innere der Augenhöhle eines Giganten. Der glotzte teilnahmslos direkt auf den Museumseingang, um praktisch täglich 20.000 Besucher unter dem Torbogen hervorkommen zu sehen.
    Alfred hörte Metall an Metall schlagen, bemerkte aus dem Augenwinkel einen Lichtschimmer und realisierte zu spät, dass eine der Türen offen stand. Zweifellos war die Tür zuvor verschlossen gewesen. Es war stets das Erste, was er bei Dienstantritt tat. Falls einer der Wissenschaftler oder Katalogisierer noch zu nächtlicher Zeit arbeitete und auch erst zu später Stunde das Museum verließ, schloss Alfred stets eigenhändig für sie auf – und verriegelte die Tür sogleich wieder hinter ihnen.
    Nein, er hatte keinen Zweifel, dass hier gerade etwas schief lief. Er durchschritt die Tür und konnte sogleich erkennen, wo genau sie aufgebrochen worden war.
    Das Geräusch von berstendem Glas schallte von einer der oberen Galerien durch die Museumshalle. Da lief ganz eindeutig etwas gehörig schief! Zum ersten Mal seit sechsunddreißig Jahren wurde er von seinem Museum gebraucht.
    Der Wachmann watschelte geschwind von der Tür aus durch die Eingangshalle, und flog geradezu an dem fünfundzwanzig Meter langen Diplodokus vorbei auf die Haupttreppe zu. Oben angelangt, warf er einen raschen Blick über seine Schulter, direkt in den Schlund des gewaltigen Gewölbes zum ersten Stockwerk, in das ein prunkvoller Treppenaufgang führte. Über ihm hüpften geschnitzte Affen in den oberen Teilen der Rundbögen hinauf in die Dunkelheit, mitten hinein in das mit Schnörkeln verzierte, eiserne Dachgebälk.
    Definitiv kam der Lärm aus der Galerie, gleich dort, wo auch die privaten Büros des Museumspersonals lagen. Eine Hand auf der polierten Steinbalustrade tat Alfred Wentwhistle einen tiefen Atemzug und erklomm die Stufen – immer zwei auf einmal. Auf dem ersten Absatz, unter dem strengen, bronzenen Blick von Sir Richard Owen, wandte er sich nach rechts. Er eilte die Galerie parallel zur Eingangshalle entlang, passierte ausgestopfte Dreifinger-Faultiere und die drapierten Skelette von prähistorischen Meeresreptilien, und sprang den dritten Treppenabsatz hinauf. Völlig außer Atem nahm er sich einen Moment, um zu verschnaufen, und spitzte die Ohren, um auszumachen, von woher genau das Geräusch gekommen war. Plötzlich tönte ein Krachen durch die verhältnismäßige Stille des schlafenden Museums, als wenn ein Tisch umgestoßen würde. Der Lärm kam von irgendwoher aus diesem Stockwerk, aus dem westlichen Flügel, der allein Darwin zustand.
    Alfred wandte sich den Galerien zu und lief unter einem geschnitzten Bogengang hindurch, auf dem ›Der Aufstieg des Menschen‹ geschrieben stand. Er beschleunigte seine Schritte, als er die mondbeschienene Galerie betrat, in der sich einige aus Wachs gefertigte Nachbildungen der zahlreichen Vorfahren des Menschen befanden. Für alle Zeiten starr und in den buckeligsten Posen, konnte man hier die verschiedenen Arten bestaunen, vom Australopithecus afarensis bis zum Homo Neanderthalensis . Der schweifende Strahl der Lampe wurde von gebleckten Zähnen, verzerrten Mäulern, gläsernen Knopfaugen und schwarzgeränderten Feuersteinklingen zurückgeworfen.
    In jeder anderen Nacht hätte Alfred innegehalten, um durch die Musterstücke und die dazugehörigen Erklärungen zu schmökern, die die Besucher durch die Evolution vom primitiven Affenmenschen bis hin zur Entwicklung des denkenden Menschen führten. Er wäre ebenso fasziniert und verblüfft gewesen wie damals, als er das erste Mal ›Die Entstehung der Arten‹ gelesen hatte; die unglaubliche Geschichte über den Aufstieg der menschlichen Rasse, um die mächtigste und am meisten verbreitete Spezies der Welt – und darüber hinaus – zu werden.
    Als Charles Darwin die Entstehung der Arten erklärte, ihre natürliche Zuchtwahl und das Überleben des Stärkeren, wurde er zuerst von den weltbesten wissenschaftlichen Gehirnen jener Tage verspottet, und als Scharlatan und Ketzer denunziert. Dafür, dass er sich gegen die einst weltweit verbreitete christliche Kirche und deren Kernglauben aussprach, dass allein Gott sowohl alles Leben, als auch die schlussendliche Version der Welt am Anbeginn der Zeit erschaffen hatte.
Mit der Wiederentdeckung der
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