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Die Saat der Bestie (German Edition)

Die Saat der Bestie (German Edition)

Titel: Die Saat der Bestie (German Edition)
Autoren: Michael Dissieux
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Quicksilver griff begierig danach, doch Screwtape wollte sie noch nicht aus den Händen geben.
    »Wenn diese Papiere erst einmal unterzeichnet sind«, sagte er mit einer Stimme, die plötzlich ruhig und gesetzt klang, »wird Ihr älterer Bruder Ulysses offiziell für tot erklärt sein. Und all das gehört dann Ihnen«, sagte er und bezog mit einer allumfassenden Geste seiner Hand das Studierzimmer und folglich auch das ganze Haus mit ein.
    »Als der einzig verbliebene Erbe Ihres Bruders, wird er Ihnen all das hier hinterlassen. Das verstehen Sie, nicht wahr?«
    »Natürlich verstehe ich das.« Quicksilver zerrte an den Unterlagen und schließlich lockerte Screwtape seinen Griff.
    »Es schmerzt mich ebenso sehr, dies hier zu tun«, sagte der junge Mann, ohne auch nur eine Spur von aufrichtiger Traurigkeit in der Stimme. »Wie es mich schmerzt, dass mein Bruder seit über einem Jahr vermisst wird. Nicht ein einziges Wort habe ich von ihm gehört, seit er zu dieser verhängnisvollen Unternehmung aufbrach. Die Überreste seines Ballons wurden in den unteren Gefällen des Mount Manaslu gefunden. In dieser Höhe und bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt könnte ein Mann nicht einmal eine Nacht überleben, selbst wenn er den Absturz überstanden hätte. Leider muss ich sagen, dass diese Eishölle wohl nun zu seiner letzten Ruhestätte wurde.«
    Stille breitete sich zwischen den beiden Männern aus, bleischwer von dutzenden unbehaglichen Gedanken. Erneut erklang die Türglocke und erschütterte die spannungsgeladene Atmosphäre. Sowohl der Anwalt als auch der Erbe spähten durch die offene Tür des Studierzimmers hinaus, direkt in die undurchdringlichen Schatten der geisterhaft bedeckten Möbel in der Bibliothek.
    »Wer kann das zu dieser Zeit noch sein?«, fragte Screwtape mehr zu sich selbst.
    »Tatsächlich, wer wohl?«, wunderte sich auch der junge Quicksilver und schielte argwöhnisch in Richtung des Anwalts.
    »Wenn Sie mich wohl entschuldigen würden, meine Herren. Ich werde mich nach Kräften bemühen, es herauszufinden«, meinte Nimrod, der schwere Bariton seiner Stimme bar jeglicher Emotion.
    »Gern.« Quicksilver winkte ihm mit seinem leeren Glas hinterher, die Augen erneut starr auf die Papierschnipsel gerichtet.
    Der Blick des Anwalts wanderte zurück zu den Bildern und dem kuriosen Krimskrams, der die Wände zierte – die persönliche Ausbeute eines Mannes, den sie in Bälde in sein Grab verdammen würden.
    Screwtape wurde auf einmal auf eine Ansammlung kleiner Fotografien aufmerksam. Stets derselbe Mann war auf jedem davon abgelichtet; tatsächlich der Einzige, der gleich mehrmals in den eingefangenen Szenen auftauchte. Geschichtliche Momente, auf ewig gebannt für die Nachwelt. Einmal stand er inmitten einer halbnackten Sippe von Pygmäen des Äquators, ein anderes Mal schüttelte er die Hände eines Turban tragenden Maharadschas und auf einer weiteren Abbildung trug er die Garderobe eines amerikanischen Grenzansiedlers, Arm in Arm mit einem sündhaft aufgetakelten Exemplar von Frau am Pokertisch eines Schaufelraddampfers auf dem Mississippi. Es handelte sich hier nicht um denselben europäischen Jäger wie auf dem Porträt über der Feuerstelle – dieser Mann war jünger – doch es offenbarte mehr als nur eine simple Ähnlichkeit mit Screwtape´s Klienten.
    »Sicherlich hat er bereits die ganze Welt bereist, Ihr Bruder«, gestattete sich der Anwalt den Kommentar.
    »Ja. Und sehen Sie, wohin es ihn gebracht hat!«
    Quicksilver fuhr fort, die eng beschriebenen Vertragsseiten nach etwaigen Nebenklauseln und fachlich unverständlichem Kauderwelsch zu durchsuchen, welche klipp und klar festlegten, dass nach dem Tod von Ulysses Lucian Quicksilver auch wirklich alles an ihn übergehen würde.
    »Diese Artefakte …« Der Anwalt nahm eines davon in die Hände. »Sie dürften doch sicher für Sammler einen gewissen Wert haben.«
    »Andenken, Schnickschnack, Nippes und nicht mehr. Ich werde sie dem Pitt Rivers Museum in Oxford vermachen. Und warum auch nicht? Immerhin ist das Haus die einzige Anlage, die mein Bruder mir hinterlassen hat.«
    »Und wie wollen sie mit dem Verkauf des Anwesens verfahren?«
    »Ich ziehe in eine der Mondstädte um. Ich bin London leid und ich spüre, dass auch London meiner überdrüssig ist. Hier gibt es jetzt nichts mehr für mich.«
    »Wie ich hörte, soll das Tranquillity ganz nett sein«, bot Screwtape an. »Oder das Luna Prime . Es soll eine recht erquickliche Atmosphäre
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