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Die Saat der Bestie (German Edition)

Die Saat der Bestie (German Edition)

Titel: Die Saat der Bestie (German Edition)
Autoren: Michael Dissieux
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gesamte Wand einnahm, ohne sein Spiegelbild auch nur eines Blickes zu würdigen, geschweige denn den gestärkten Kragen seines Hemdes und den Knoten seiner Krawatte zu überprüfen, oder ob sein graues Haar ordentlich gescheitelt war.
    Die Türglocke schellte noch einmal, just als er seine Hand auf den Türknauf legte und die Haustür öffnete. Ein kurzgeratener, stämmiger Mann trat draußen ungeduldig von einem Fuß auf den anderen und zuckte sogleich zurück, aufgeschreckt vom plötzlichen Erscheinen des Hausdieners.
    Der Mann sah an dem Diener empor und direkt in die kalten Augen, die ihn unter dichten Augenbrauen drohend anblickten. Unangenehm berührt entzog er sich dem Augenkontakt, indem er die einschüchternde Erscheinung des Butlers von Kopf bis Fuß betrachtete.
    Der Butler war ein Mann ohne wirkliches Alter, obgleich er wohl keinesfalls jünger als fünfundvierzig sein konnte, ebenso gut aber auch bereits die sechzig erreicht haben mochte. Seine distanzierte Ausdrucksweise verriet Geringschätzung, die kantigen Gesichtszüge verliehen ihm etwas Aristokratisches; allerdings war seine Nase mit Sicherheit bereits an mehr als einer Stelle gebrochen gewesen. Sie ließ ihn wie einen in die Jahre gekommenen Preisboxer mit dem Benehmen eines überaus loyalen Gefolgsmanns erscheinen.
    »Ah, Nimrod.«
    »Mr. Screwtape, Sir«, entgegnete der Hausdiener. Sein Akzent klang ebenso geschliffen und kultiviert, wie sein Kragen frisch gestärkt und makellos war. »Sie werden schon erwartet. Bitte treten Sie ein.«
    Rein gar nichts in Nimrod´s Tonfall und seiner teilnahmslosen Ausdrucksweise deutete an, dass der Anwalt willkommen war. Tatsächlich fühlte sich Screwtape in der Rolle als Besucher eher wie ein unerwünschter Eindringling.
    »Mr. Quicksilver erwartet Sie in seinem Studierzimmer.«
    Der Butler machte einen Schritt zur Seite und schloss die Tür vor der Kälte und der Nacht. Screwtape nahm seine Melone mit einer Hand ab – einen Aktenkoffer hielt er fest in der anderen – und enthüllte dabei seinen schwachen Versuch, mittels einiger dünner, offensichtlich schwarzgefärbter Strähnen eine beginnende Glatze zu verdecken. Kleine Schweinsäuglein inmitten wabbeliger Gesichtszüge spähten hinter den dicken Gläsern seines Kneifers hervor, der sich beinahe in seinen kurzen, buschigen Schnauzbart schmiegte.
    »Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen, Sir?«
    »N-nein, das ist nicht nötig. Ich werde ihn selbst nehmen.« Nimrod machte ihn immer äußerst nervös.
    »Sehr wohl, Sir.« Nimrod´s Tonfall klang geradezu mühselig. »Wenn Sie nun die Güte hätten, mir zu folgen.«
    Der Butler führte den Anwalt durch einige Räume, in denen diverse mit staubigen Tüchern bedeckte Möbelstücke standen und finster dreinblickende Porträts von Urahnen hingen, durch eine modrig riechende ehemalige Bibliothek und geradewegs zu der einzigen mit Eichenholz vertäfelten Tür. Dort hielt er inne und klopfte behutsam.
    »Kommen Sie herein«, erklang eine aristokratisch anmutende Stimme dahinter. Der Butler öffnete die Tür und bedeutete dem Besucher, doch vor ihm einzutreten.
    Screwtape fand sich in einem großräumigen Studierzimmer wieder. Die Wände waren gesäumt mit Bücherregalen, und dazwischen, wo man einen kleinen Blick auf die Paisley-Tapete erhaschen konnte, hingen Aquatinta-Radierungen; Tuschätzungen in Nussbaumrahmen, sowie getönte Fotografien, eingefasst in Lichtspektren, auf denen exotische Orte aus allen Teilen des Globus zu sehen waren. Ebenso standen dort allerlei kuriose Artefakte; zweifellos Ansammlungen aus ebenjenen Reisezielen auf den Bildern. Dazwischen konnte Screwtape den Speer eines Massai-Kriegers und einen Schild aus Antilopenhaut erkennen, ebenso eine birmanische Dämonenmaske und – am verstörendsten von all den Seltsamkeiten – einen dunklen, fleckigen Menschenschädel, verziert mit seltsamen Feuersteinkieseln und dem Gefieder eines Paradiesvogels. Der Anwalt konnte sich nicht vorstellen, woher dieses überaus spezielle Objekt gekommen sein mochte, wollte er aber auch nicht wirklich.
    Einiges an Mobiliar war auch in dem Zimmer untergebracht worden. Ein beträchtlicher Mahagonischreibtisch stand direkt vor ihm, dahinter ein mächtiger Ledersessel. Er zählte noch einen weiteren solchen Stuhl und eine Chaiselongue. In einer Ecke hatte sich jemand in der Gartenbaukunst geübt und eine Schusterpalme in einen tönernen Topf gesetzt, der nun auf einem umgedrehten Pflanzensockel aus Ebenholz thronte.
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