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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin
Autoren: Petra Durst-Benning
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Schwester Katharina, die ihr gegenübersaß, erschrak so sehr, dass sie ihren Teller reflexartig von sich stieß. Heiße Fleischbrühe ergoss sich über feines Leinen und Katharinas cremefarbene Bluse, Maultaschenhüpften über Ollys edles Porzellan, eine davon landete in Karls Weinglas.
    Wera schaute fassungslos zu, wie einem Erwachsenen ein Missgeschick widerfuhr, das eigentlich für sie typisch gewesen wäre.
    »Bist du von Sinnen, mich so zu erschrecken?«, fuhr Katharina sie an. »Ihr entschuldigt mich«, sagte sie dann mit gepresster Stimme in die Runde und stakste aus dem Raum, beide Arme auf ihre befleckte Brust gepresst.
    Wily konnte ein Kichern nur mit Mühe unterdrücken, drüben am Kindertisch wurde laut gelacht.
    »Olly?« Karls Ton war fragend.
    »Vielleicht ist es doch besser, du setzt dich zu den anderen Kindern«, sagte Olly zu Wera, dann wandte sie sich mit hoheitsvollem Lächeln an die Tischrunde. »Bis frisch eingedeckt ist, verkürzen wir uns die Wartezeit mit einem Glas Champagner.«
    Aufgebracht tippte Wera mit ihrem Zeigefinger ins Essen. »Aber da sind wirklich Würmer drin! Schau, hier und hier und –« Schon nahm ihre Stimme wieder einen hysterischen Klang an.
    »Wera! Man spielt nicht mit dem Essen. Und fasst es erst recht nicht mit den Händen an. Komm jetzt.«
    Wera spürte Evelyns Hand auf ihrem Arm. Verzweifelt schaute sie ihre Tante an.
    »Aber warum muss ich gehen? Das ist ungerecht! Karls Schwester hat doch die Suppe umgestoßen, nicht ich …«
    Mit gesenktem Kopf setzte sich Wera an den Kindertisch. In ihrem Inneren fühlte sie einen altbekannten Verdruss hochsteigen. Warum waren die Erwachsenen so ungerecht? Sie traf doch wirklich keine Schuld!
    »Mach dir nichts draus, dass die Füllung aus Fleisch und Wurststückchen besteht, konntest du nicht wissen. Die Bröckchen sehen wirklich ein bisschen nach Würmern aus«, sagte die ältere von Augustes Töchtern in breitestem Schwäbisch und nahm tröstend Weras Hand.
    Wera, die kein Wort verstand, nickte vage.
    »Dubist doch die Tochter von Großfürst Konstantin?«, fragte einer der Pontiatin-Jungen sogleich.
    Beim Namen ihres Vaters hellte sich Weras Miene auf. Doch schon im nächsten Moment galt ihre Aufmerksamkeit nicht mehr ihrem Tischnachbarn, sondern dem jungen Mann, der gerade durch das Eingangsportal trat. Wie er sich umschaute! So erhaben wie ein Adler. Und mit welchem stolzen Schritt er den Raum durchmaß! Für einen kurzen Moment hoffte Wera, er möge an den Kindertisch kommen, doch natürlich steuerte der junge Herr auf die Erwachsenen zu.
    »Wer ist denn das?«, fragte sie ein wenig atemlos.
    Augustes älteste Tochter, die ein wenig kurzsichtig war, kniff die Augen zusammen. »Ist das nicht Eugen?«
    »Wer denn sonst?«, erwiderte ihre jüngere Schwester. »Das ist Herzog Wilhelm Eugen von Württemberg«, klärte sie Wera auf. »Gell, der schaut gut aus?« Sie seufzte auf.
    Wie ihre Schwester Olgata, wenn vom griechischen König die Rede war. Wera verzog angewidert das Gesicht. Der Ehrlichkeit halber musste sie jedoch zugeben, dass auch sie von dem jungen Herzog beeindruckt war.
    Zackig schlug er die Hacken zusammen. Und wie freundlich sein Lächeln war, mit dem er die Tischrunde bedachte. Alle schienen sich über seine Ankunft zu freuen, sogar die verkniffene Miene von Prinzessin Marie erhellte sich. Wily stand auf und schlug dem jungen Herzog kameradschaftlich auf die Schulter.
    Nur einmal, ein einziges Mal wollte Wera mit derselben Selbstverständlichkeit einen Raum betreten und freudig von allen begrüßt werden …
    Auf einmal konnte sie sich nicht mehr halten. Sie stieß ihren Stuhl nach hinten. Ihren Fauxpas von vorhin vergessend, sprang sie auf und rannte hinüber zum Erwachsenentisch, wo sie sich Herzog Eugen an die Brust warf. Stürmisch küsste sie ihn auf beide Wangen, dann umklammerte sie ihn fest und rief voller Inbrunst: »Sie sind ein wundervoller Mann!«
    Die Tischrunde versteinerte ein zweites Mal. Herzog Eugen schautehilflos an sich hinab. Wer ist das Kind, das wie eine Klette an mir hängt?, schien sein Blick zu fragen.
    »Darf ich vorstellen – Großfürstin Wera«, antwortete Wily und sah aus, als würde er sich vor lauter Lachen fast verschlucken. Hingegen war weder Karl noch den anderen zum Lachen zumute. Erneut war es Olly, die sich als Erste fasste.
    »Eine sehr russische Art der Begrüßung, in Petersburg durchaus üblich«, sagte sie mit aufgesetztem Lächeln.
    »Für mich sah das eher
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