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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin
Autoren: Claudia Groß
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Kennst du den Zauber des Wirkens? Dreimal gewirkt an diesem Ort, dreimal gereinigt in deinem Feuer, dreimal gesegnet in deinem Tanze …«
    Er träumte von dieser Tänzerin mit ihrem hin und her zuckenden Kopf, träumte, daß er sich den Schmuck mit den Schlangen vom Handgelenk zog und in einen tiefen Sumpf schleuderte, doch er tauchte immer wieder auf. Er ließ sich nicht versenken. Er träumte davon, die Wurzeln von den Bäumen im Sumpf abzuschneiden, grub mit einem Messer so lange in der Erde herum, bis es abbrach. »Dummer Junge«, rief ihn seine Mutter, »du solltest auf Rosalie aufpassen und auf deinen Herrn, und was machst du?«
    Er lief zum Sumpf zurück und wühlte mit den Händen im feuchten, widerlichen Moor, das sich an seinen Fingern festsaugte. Er träumte von dem bösen alten Weib in der Wagenburg und sah die gewebte Spinne in ihrem Netz, wie sie das Männchen verspeiste …
    Am Nachmittag erwachte Raupach aus seiner Bewußtlosigkeit. Man benachrichtigte den Kaiser, der sich schon Gedanken darüber gemacht hatte, Gundeline von Raupach neu zu verheiraten, und heimlich nach einem geeigneten Kandidaten gesucht hatte.
    In zwei Tagen würde er die Stadt verlassen und die nördlichen Gebiete an der Elbe unterwerfen, wenn sie sich ihm widersetzen sollten. Und dann? Was würde er machen mit Heinrich? Ihn gefangennehmen? Ihm den Prozeß machen? Ihn zu einer förmlichen Kapitulation zwingen? Der Kaiser schob die Frage vor sich her. Er ließ die Dinge auf sich zukommen und wollte keine wirkliche Rache. Einst hatte man Heinrich um die Kaiserkrone gebracht, niemand wußte das besser als er, Barbarossa, selbst. Aber das war lange her. So lange, daß er es fast vergessen hatte. Jetzt machte er sich auf, in Raupachs Zelt. Der Verletzte lag blaß und mit geschlossenen Augen da, ein Arzt saß neben ihm.
    »Nun?« fragte der Kaiser.
    Der Medicus sah auf. »Er wird überleben. Aber es ist nicht gut, wenn einer so lange ohne Bewußtsein ist. Er wird schwach bleiben.«
    Der Kaiser schwieg. Ein schwacher Mann half ihm gar nichts in der Heide. Und dennoch lag es nicht an ihm, diese Lage zu ändern. Jetzt nicht mehr. Es war Gottes Urteil, daß Raupach leben sollte. Und der Kaiser beugte sich nur einem. Gott.
    »So soll es sein«, murmelte er und verließ das Zelt.
    Er erwachte. Die schwächer werdenden Lichtstrahlen, die durch die Ritzen der Luke fielen, sagten ihm, daß es Abend wurde. Er hatte Hunger und Durst und den eisernen Willen, sein Gefängnis zu verlassen. Mehr als einmal war er in seinem Leben in Gefangenschaft geraten, aber weil er ein Söldner war, hatte man ihn immer wieder freigelassen. Er kannte die endlosen Tage in dunklen Kerkern, aber in einem solchen Kerker wie diesem hier war er noch nie gewesen. In einem alten Salzstollen gefangengenommen von einem verrückten Weib, das seine Waffen versteckt hielt.
    Plötzlich ging die Luke auf. Die Tänzerin erschien. Sie trug wieder diesen giftgrünen Rock, und die Haare fielen ihr über die Schultern. Sie reichte ihm eine Schale mit Wasser. Er trank gierig, und jeder Nerv seines Leibs war gespannt. »Binde mich los«, sagte er dann ruhig, »sie werden nach mir suchen.«
    »Laß sie suchen, sie werden dich hier nicht finden. Ich tanze heute für einen hohen Herren, der hat den Priester weggeschickt, denn der hat gesagt, der Herr würde in der Hölle brennen, wenn er mich kommen läßt.« Sie lachte.
    »Tanz für mich«, sagte er.
    Sie setzte sich auf den Boden, weit genug entfernt von ihm, der eine Ewigkeit brauchte, bis er aufstehen konnte.
    »Weißt du, es gibt viele Arten von Magie«, sagte sie leise, »die Magie der Worte, die Magie der Steine und Bäume, der Stäbe und die Magie der Musik. Und es gibt die Magie des Tanzes. Der Tanz ist ein magisches Ritual, wenn man sich darauf versteht. Er schafft Kräfte in dir, gibt sie ab und nimmt sie wieder auf. Ich tanze für die Männer, weil sie mich dafür bezahlen, aber was wissen die schon von der Magie des Tanzes? Und warum soll ich für dich tanzen? Ich weiß ja nicht einmal, ob ich dich am Leben lasse.«
    Sie sah den Zorn in seinen Augen aufblitzen. »Ist das der Wunsch der Runenmeisterin?« fragte er finster.
    »Ich sagte dir schon einmal, ein solches Versprechen, wie du es gegeben hast, kann nicht gebrochen werden. Du aber hast es gebrochen. Ich hätte dich gleich in den Sumpf werfen sollen.«
    Sie lachte wieder, stand auf, ging zur Luke und schlüpfte hinaus. Er hörte, wie sie wieder den Riegel vorschob. Er
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