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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin
Autoren: Claudia Groß
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sagte Rosalie kalt und stand auf. »Ihr werdet nicht sterben. Wir gehen wieder in den Stollen, nur bis zur Mitte, und warten da. Dort sind wir vielleicht sicherer.«
    Sie nahm die Armbrust und ließ die anderen vorgehen. Dann nahm sie die Eisenplatte und zog sie provisorisch wieder vor den Eingang zum Stollen. Ging mit einer brennenden Kerze zu den anderen zurück und hockte sich auf die feuchte kalte Erde.
    »Vielleicht sollten wir versuchen hinauszukommen«, sagte Gundeline mit zitternder Stimme, »die Sachsen werden jetzt alle in der Burg sein.«
    Aber Rosalie schüttelte den Kopf. »Nein, wir bleiben hier. Ich habe sie gesehen, wie sie den Wald durchstreifen. Mit etwas Glück werden sie den Zugang nicht finden, und das ist unsere einzige Rettung.«
    »Und die Männer oben?« fragte Maria bitter. »Wer rettet die?«
    Sie schwiegen. Hier unten war nichts zu hören, außer dem Zischen der Fackel und dem leisen Wimmern eines kleinen Mädchens, das auf dem Schoß seiner Mutter saß. Doch plötzlich hörten sie ein dumpfes, hallendes Geräusch und fuhren hoch. Da war jemand im Stollen!
    »Ruhig«, sagte Rosalie leise und griff nach der Armbrust, die neben ihr lag. Sie hörten jetzt Schritte von fern, die gedämpft näherkamen. Rosalie griff nach einem Pfeil. Der Ausgang im Wald war mit Ästen und Zweigen bedeckt gewesen. Wenn einer der Sachsen ganz zufällig durch das Loch gefallen war, dann saßen sie jetzt in einer tödlichen Falle.
    Die Schritte kamen näher. Und dann tauchte er auf, ein dunkler Schatten mit langen, hellen Haaren, und blieb kurz stehen, weil er sie entdeckt hatte. Rosalie sah, daß er nur ein Messer in der Hand trug – wahrscheinlich war er wirklich unbeabsichtigt in das Loch gefallen.
    »Herr im Himmel, steh uns bei«, hörte sie Gundeline flüstern.
    Der Mann vorne machte wieder einen Schritt. Er hatte wohl gesehen, daß er nur Frauen und Kinder vor sich hatte.
    »Bleib stehen!« rief Rosalie ihm zu.
    Er stutzte kurz, ging aber weiter. Immer deutlicher wurde ihm wohl selbst im trüben Licht der Fackel, daß es keine Männer waren, die da vor ihm hockten. Er lachte kurz. »Ja«, rief er herüber, »aber erst komme ich und hole dich.« Er lachte wieder.
    Rosalie spannte den Pfeil ein. Wenn er noch näher kam, würde sie ihn treffen können. Aber die Fackel flackerte und wurde immer blasser – sie konnte ihn kaum noch erkennen. Der Pfeil flog los, es zischte, und dann ging das Feuer aus. Die Kinder weinten, weil es so dunkel geworden war, und in ihr Weinen mischte sich der brüllende Schrei des Sachsen. Gundeline rannte in den Keller zurück und holte eine neue Fackel. Als sie zurückkam, sah sie den Sachsen am Boden liegen mit dem Pfeil, der sich ihm in den Bauch gebohrt hatte.
    »Ist er tot?« fragte Gundeline mit bangen Augen.
    Er lag ganz still da. Rührte und regte sich nicht mehr. Wenn er nicht tot war, dann hatte er zumindest das Bewußtsein verloren.
    »Mein Leben gegen das von Monreal«, sagte Maria mit zitternder Stimme.
    »Ja«, erwiderte Rosalie bitter, »wir sind quitt, Herrin Maria.«
    Sie warteten mit dem vielleicht toten Sachsen vor ihren Augen, warteten und lauschten, aber da gab es nichts zu hören. Sie hockten wie in einem längst zugeschaufelten Grab, in das nichts mehr hineindringt. Auch keine Luft.
    Irgendwann erlangte der Sachse das Bewußtsein wieder und röchelte. Und dann klangen leise hallend wieder Schritte vom anderen Ende des Ganges herüber.
    »Aus des Südens Kammer kommt der Sturm, aus des Nordens Winter kalter Frost …«, war das letzte, was Pater Clemens hatte beten können, dann ging er über in die Gefilde des Herren. Niemand hatte ihm ein Leid angetan, aber sein Herz war zu schwach. Keiner würde einen Priester hinmetzeln, selbst die Sachsen nicht. Sie hatten drei der fränkischen Soldaten erschlagen und den Rest zum Tor hinausgejagt, weil ihre Sache schon verloren war, bevor sie überhaupt begonnen hatte.
    Dem Herzog würde nicht gefallen, was sie getan hatten, denn er war auf die Gnade des Kaisers angewiesen; und der wiederum würde über diese Belagerung nicht erfreut sein. Trotzdem, so eine fette Burg wie Raupach links liegenzulassen hatten sie nicht übers Herz gebracht. Raupach zu belagern hatte selbst den Herzog immer gelockt, aber der war dieser Verführung nie erlegen, wohl ahnend, daß der Kaiser nur auf eine solche Gelegenheit gewartet hatte.
    Nachdem sie seine Bewohner vor die Tür gesetzt hatten, hatten die Sachsen das Tor mit Brettern verrammelt
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