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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin
Autoren: Claudia Groß
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Der Herr hat einen Kurier geschickt. Es geht ihm mehr als schlecht. Ihr werdet Eure ganze Kunst brauchen.«
    »Es wird zuwenig sein.«
    »Ja«, sagte Van Neil, »es wird zuwenig sein.«
    Cai Tuam warf sich das Hemd über. »Gebt mir Zeit bis morgen früh. Ich werde das Weib finden.«
    »Gut. Wenn es etwas mit Monreals Tod zu tun hat, dann sucht sie. Aber dreht ihr nicht den Hals um, bevor ich mit ihr geredet habe.« Er grinste und ging aus dem Zelt.
    Einige hatten behauptet, die Frauen seien mit dem Kaiser gezogen. Aber einer sagte, zwei der Wagen seien Richtung Lüneburg gefahren. Der Ire entschied sich für letztere, schon deshalb, weil es auf dem Weg nach Raupach lag. Er durfte Maesfeld nicht lange warten lassen, aber er würde die Alte finden oder die Tänzerin oder beide. Oder Rosalie. Und wenn er ehrlich war, wollte er nur sie finden. Er hatte sie nicht verraten können. In all diesem Schmerz, der in seinem Kopf herrschte, war ihm nur zweierlei wirklich klar: die Sorge um seinen Herren und die Liebe zu Rosalie, an die er sich klammerte, weil er sie nicht verlieren wollte.
    Er rastete gegen Mittag an der Straßenseite, sprach mit seinem Pferd und ritt weiter. Wenig später erkannte er die Spuren von zwei Karren, die von der Straße abgewichen waren und sich in die Büsche geschlagen hatten. Es war ein Kinderspiel.
    Sie hatten es nicht eilig gehabt, und Ochsenkarren zogen ohnehin daher wie eine Schildkröte. Sie fühlten sich sicher. Er ließ sein Pferd langsam gehen, hielt sein Gesicht in die Sonne und schloß die Augen. Gegen Mittag kam er in ein kleines Dorf, in dem die Menschen ihn anstarrten wie einen Heiligen. Magere, in Lumpen gehüllte Kinder spielten mit Holzschwertern, und vor den Hütten suhlten sich magere Schweine im Morast.
    »Sind hier zwei Ochsenkarren durchgefahren?« fragte Cai eines der Kinder. Es nickte scheu. Der Ire warf dem Jungen eine Münze zu und ritt weiter. Hinter dem Dorf hatte man für die Äcker ein Stück Wald gerodet. Aber hier wuchs nichts außer Disteln und Bärenklau. Ganz hinten am Rand des Waldes standen zwei Wagen. An einer Leine, die zwischen zwei Bäumen aufgespannt war, hingen Häute und flatterten im Wind. Der Ire blieb stehen. Er konnte keinen Menschen entdecken. Die Bienen summten zwischen den Disteln, irgendwo in der Nähe murmelte ein Bach.
    Wenn er der falschen Fährte gefolgt war, würde es an der Zeit sein umzukehren. Aber da trat jemand aus einem der Wagen. Aus der Entfernung hätte es auch ein Kind sein können.
    Cai Tuam ritt zurück. Er schlug einen weiten Bogen um den Acker und näherte sich den Wagen von ihrer Rückseite. Ein Loch in der Zeltplane war verhangen mit einem schwarzen Tuch. Es war das schwarze Tuch mit der eingewebten Spinne. Der Ire hatte gefunden, was er gesucht hatte.
    Die alte Frau saß auf den Stufen ihres Wagens und hörte das Wasser von den Häuten auf die Erde tropfen. Sonst hörte sie nichts. Die Sonne wärmte ihre gichtigen Glieder, und sie hatte sich die Schuhe ausgezogen, die Beine weit von sich gestreckt. Hier ließ es sich aushallen, fern von den Städten, den Heereslagern, die sie immer gehaßt hatte. Aber auch eine Frau wie sie mußte leben, und umsonst war nur der Tod.
    Sie hatte vom Verkauf von allerlei Tand an die Soldaten gelebt, aber sie war alt und müde. Zu alt und zu müde für ein solches Leben. Ihre Tochter würde für sie sorgen. Solange Mara tanzte, hatten sie genug zum Leben. Sie hörte das Schnauben eines Pferdes und sah auf. Hier gab es keine Pferde, nur ihre zwei Ochsen, die die Wagen zogen. Sie stützte die Arme auf die Knie und wollte aufstehen.
    Da schob sich ein Schatten neben sie. Zwei starke Hände packten sie bei den Armen und hoben sie hoch, als wäre sie leicht wie eine Feder. Schleuderten sie zur Erde und legten sich um ihren Hals. Sie riß die Augen auf. Mit einem spöttischen Lächeln drückte er zu. Sie wollte schreien, um sich schlagen, aber das Gewicht seines Körpers hielt sie auf der Erde fest, und allmählich verschwammen ihr die Bilder des Lebens vor den Augen. Die Luft blieb ihr weg, und das letzte, was sie sah, war dieses schwache Leuchten in den grünen Augen …
    Er hatte es nicht zu Ende gebracht. Er hockte auf der Erde und sah zu, wie die Alte langsam wieder zu sich kam. Eine Sekunde länger zugedrückt, und sie wäre nie mehr aufgewacht. Ihm war es gleich, und doch hatte er gezögert. Sie fuhr sich mit den Händen an den Hals, ihr Atem ging röchelnd.
    Er sah sie an aus
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