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Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Titel: Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)
Autoren: Philippa Ballantine
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Attentäter!
    Raed warf einen Blick über die Schulter. Dumpfe Schläge erklangen aus den Tiefen des Gebäudes: das Hämmern wütender Fäuste an den Gefängnistoren. Er ging zur Zellentür, umfasste die Stäbe und machte Anstalten, nach seinem Wärter zu rufen. Die Tür schwang auf. Während er mit der Szene draußen beschäftigt gewesen war, hatte sein neuerdings unfreundlicher Kerkermeister sie aufgeschlossen.
    Also waren seine Wächter der gleichen Meinung wie der Mob. Brandgeruch wehte von draußen herein, während das Schreien ohrenbetäubend laut wurde. Selbst wenn es einen Wärter gab, dem die Vorstellung eines Lynchmobs missfiel, würde er auf keinen Fall sein Leben für den Prätendenten riskieren. Raed schlüpfte durch die Tür und auf den Gang, hatte aber keinerlei Plan.
    »Bleibst du nicht zur Show?« Die Stimme der Frau hinter ihm war der schönste Klang, den er je gehört hatte.
    Er wirbelte herum und fing Sorchas grimmiges Lächeln auf – und sie war nicht allein. Obwohl Hastler Merrick zu der Partnerschaft mit der älteren Diakonin überlistet hatte, blieb er seinen Gelübden treu.
    »Das hört sich nicht nach meiner Art von Party an«, gestand Raed, bevor er sie küsste. Dafür war seiner Meinung nach immer Zeit.
    »Schnell.« Merrick packte die beiden und zog sie den Flur entlang, in die dem schreienden Mob entgegengesetzte Richtung. Das erschreckende Krachen klang jetzt sehr nach einer Tür, die in den Angeln nachgab.
    Gemeinsam liefen die drei an Zellen voll jubelnder und johlender Gefangener vorbei, eine Wendeltreppe hinab und zu einer Hintertür, die qualmend auf dem Boden lag. Raed warf Sorcha einen überraschten Blick zu, aber sie lächelte zurück. »Die Zeit war etwas knapp.«
    Er würde ihre Arbeitsweise nicht in Zweifel ziehen, denn hinter ihnen waren bereits stampfende Füße zu hören. Als er jedoch in die Gasse rannte, stellte er fest, dass die Rettung einiges vermissen ließ. »Ich will ja nicht pingelig sein – aber sollten wir nicht eine Fluchtmethode haben?«
    Die Seidenstraße zu ihrer Rechten war immer noch voller wütender Menschen; wütend, weil sie es nicht schafften, an die Spitze des Lynchmobs vorzudringen, der ins Kaiserliche Gefängnis strömte.
    »Wir hatten Pferde!« Merrick war blass.
    »In dieser Stadt kann man aber auch nichts herumstehen lassen.« Raed zuckte die Achseln und spürte, wie die Furcht erneut in ihm hochstieg.
    In der schmalen Gasse konnte man sich nirgendwo verstecken. Schlimmer noch: Der Mob hatte die drei inzwischen bemerkt und wandte sich ihnen wie ein großes, vielköpfiges Ungeheuer zu. Raed fragte sich, wie schmerzhaft es wäre, in Stücke gerissen zu werden. Er hätte wenigstens gern ein Schwert gehabt.
    Sorcha warf ihm ihres zu, ohne dass er darum bitten musste, aber ihr nächster Schritt verblüffte ihn. Sie zog die Handschuhe an und stellte sich dem anstürmenden Mob entgegen. Raed erinnerte sich plötzlich an Sorchas Zorn auf Aulis, als die gedroht hatte, die Runen gegen das Volk einzusetzen. Und durch die Verbindung spürte er sie – Sorcha empfand keine Angst vor dem Tod, sondern etwas Kälteres. Sie hatte ihren Glauben an den Orden verloren und an das, wofür er stand. Ihre Sorge galt jetzt einzig und allein der Verteidigung der Menschen, die ihr etwas bedeuteten.
    Grünes Feuer züngelte an ihren gespreizten Fingern. Nie zuvor hatte er an ihr eine derart versteinerte Miene gesehen – nicht einmal, als sie der Murashew gegenübergestanden hatten.
Schließ dich ihr an.
Den Rossin erregte die Aussicht auf zügellose Gewalt.
Entfessele mich.
    Der Mob stürzte sich auf sie, und die Luft roch nach Schweiß und Elektrizität, als Sorcha ihre Handschuhe hob und sich anschickte, jeden Grundsatz des Ordens zu brechen, dem sie seit ihrer Kindheit angehört hatte.
    »Sorcha, nicht!« Merrick war für gewöhnlich der Ruhigere, Gemäßigtere, aber seine Stimme ertönte mit solcher Macht, dass sie tatsächlich kurz zögerte. Vielleicht aber war es die Welt selbst, die kurz innehielt – denn sie tauchte in jenen nebligen Moment, den Raed schon einmal erlebt hatte: in den Augenblick vor Entscheidung und Tod.
    Was im nächsten Herzschlag geschah, konnte der Prätendent nicht recht erkennen. Die Mauern der Gasse wölbten sich in einer optischen Täuschung, die alle stutzen ließ. Und dann spülte eine Flut von Gefühlen über sie hinweg. Plötzlich warf es Raed in den Augenblick zurück, als er über und über mit dem Blut seiner Mutter bedeckt erwacht
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