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Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)

Titel: Die Runen der Macht - Der verfluchte Prinz (German Edition)
Autoren: Philippa Ballantine
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war, ihr zerrissener Körper zu seinen Füßen. Eine Trauer erfüllte ihn, die so frisch und schrecklich war wie damals, als ihm dämmerte, was der Rossin getan hatte.
    Neben ihm lag Sorcha zusammengerollt da, und ein erstickter Laut äußerster Verzweiflung entrang sich ihrer Kehle. Unter Tränen sah Raed, dass auch die eben noch so wütende Menge von Verzweiflung übermannt war. Die Menschen kauerten schluchzend auf der Straße und klammerten sich im Sturm der Gefühle aneinander; diese Woge des Kummers war viel einfacher über sie gekommen als alles, was Sorcha zu tun vermocht hätte.
    Raed konnte diese Beobachtung gerade noch machen, bevor die Wellen seiner Gefühle erneut über ihm zusammenschlugen. Nackte Verzweiflung erschütterte ihn, und es war unmöglich, dieser Schwermut zu widerstehen. Jedenfalls ehe Merrick ihn an der Schulter berührte. »Raed.« Seine Stimme durchschnitt Trauer und Schmerz und vertrieb sie so schnell, wie sie gekommen waren.
    Der Prätendent rappelte sich hoch und bemerkte, dass auch Sorcha von dem befreit war, was ihnen hier widerfahren war. Halb von ihm abgewandt, wischte sie brüsk die Tränen fort; durch die Verbindung war quälend deutlich Verlegenheit zu spüren.
    Merrick baumelte sein Riemen von den Fingerspitzen; er hielt ihn hinterm Rücken, als schämte er sich deswegen. Ein flackerndes Regenbogenlicht spielte über den Riemen und war wieder verschwunden. Raed hatte die Gebräuche des Ordens studiert und nie von einem Sensiblen gehört, der so etwas getan hatte. Doch so war es: Merrick hatte einen Lynchmob beruhigt, indem er die Gefühle der Menge manipuliert hatte – und zwar kräftig.
    Die drei sahen einander an; dann faltete Diakon Chambers seinen Riemen und schob ihn in sein Hemd. Sein Gesichtsausdruck war so unnachgiebig wie der seiner Partnerin, als sie sich dem Mob gestellt hatte. »Das wird nicht lange anhalten.« Er schlang sich den umgedrehten Umhang über die Schultern und bahnte sich einen Weg durch die immer noch weinende Menge.
    Sorcha und Raed folgten ihm. Sie mussten vorsichtig sein; Menschen wälzten sich schluchzend am Boden, riefen die Namen toter Angehöriger und heulten zusammenhangloses Zeug. Niemand beachtete die drei.
    Dieser Gefühlssturm tobte im Umkreis dreier Gassen und ließ selbst die Menschen jenseits der Seidenstraße, die am Lynchmob nicht beteiligt gewesen waren, ganz mit ihrer Trauer beschäftigt sein. Sorcha legte Raed ihren Umhang um, als sie an die Wirkungsgrenze des Zaubers kamen, und zog ihm die Kapuze über, um seine Züge zu verbergen. Vor ihnen schritt Merrick immer noch kerzengerade voran, ohne sich auch nur einmal umzusehen.
    »Weißt du, was das war?«, flüsterte Raed und hielt ihre kalte Hand umklammert.
    Sie schüttelte den Kopf; ihre Augen waren groß, besorgt und noch immer ein wenig von den plötzlichen Tränen gerötet. »Wir Aktiven wissen vieles nicht über die Arbeit der Sensiblen«, murmelte sie, »aber ich glaube nicht, dass einem das hier in einem Kurs des Ordens beigebracht wird.«
    »Und wenn man ihn sich so ansieht, ist jetzt auch nicht der richtige Zeitpunkt, danach zu fragen.« Raed hob ihre Finger und küsste sie leicht. »Aber ich bin dankbar für die Rettung.«
    Ein strahlendes Lächeln blitzte auf und wurde sofort unterdrückt. »Es ist nicht ganz so gelaufen wie geplant.« Sie sprach es nicht aus, aber Raed konnte ihre Gedanken hören.
Scheiß auf die Konsequenzen.
    Schließlich gelangten sie durch ein Gassengewirr ins Künstlerviertel. Weber hängten Waren vor ihre Läden und plauderten dabei mit Passanten. Es war laut und lebendig und ein starker Kontrast zu dem weinenden Mob, dem sie so knapp entkommen waren. Merrick schob einen Wandteppich beiseite, der ironischerweise die Leistungen des einheimischen Ordens zeigte, und führte sie in die Tiefen eines Ladens.
    Im Keller fiel der letzte Rest Melancholie von Raed ab. »Aachon!« Er überwand die kurze Entfernung und packte seinen Ersten Maat, bevor der sich rühren konnte. Der Schlag auf seinen Rücken war hart, aber herzlich. Der Prätendent lachte laut, als sich die übrige Mannschaft um ihn scharte; nicht ein Einziger fehlte.
    Er drehte sich um und sah über ihre Köpfe hinweg die Diakone immer noch so unbeweglich wie Reiher an der Tür stehen. Raed wurde klar, dass sie eine Menge riskiert hatten, um ihn in Sicherheit zu bringen. Er hatte nicht erwartet, dass sie einem Menschen, der nicht dem Orden angehörte, eine solche Loyalität entgegenbrachten.
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