Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart
Autoren: Roddy Doyle
Vom Netzwerk:
Mann.
    – Das Gesicht, Meta.
    – Ist notiert.
    – Yeah, sagte er. – Ich hab Mick Collins gekannt. Ich war 1921 auf dem Schiff, als er mit dem Vertrag nach Dublin zurückkam. Ich war auf dem verdammten Schiff.
    Dazu sagte ich nichts.
    – Das Streichholz-Ziehen, sagte er. – Was stimmte daran nicht?
    – Dass man die Wahl hatte. Die hatte man nicht.
    – Wie ist es denn gelaufen?
    – Wie bei jeder Scheiß-Armee. Du kriegtest den Befehl und keine Streichholzschachtel.
    – Okay.
    – Ich kriegte einen Namen, sagte ich. – Auf einem Zettel. Und das war’s, du bist hingegangen und hast es gemacht.
    – Hast den Typen umgelegt.
    – Ja.
    – Einen Zettel, über den Schreibtisch geschoben?
    – Manchmal.
    Ich hatte schon seit Jahren nicht mehr so viel geredet.
    – Da seht ihr’s mal! Wozu brauchen wir den Scheißtonfilm, sagte er. – Das hier sagt doch alles. Ein Zettel, der über eine Schreibtischplatte aus dunklem Holz geschoben wird. Umgedreht?
    – Manchmal.
    – Ein Todesurteil, sagte er. – Job ohne Wiederkehr.
    Er knarrte wieder. Setzte sich auf.
    – Finde ich toll.
    Er war dabei, die Story zusammenzubauen, fing an zu arbeiten, das hatte ich jetzt begriffen.
    – Was hast du mit dem Zettel gemacht? fragte er. – Nachdem du den Namen gelesen hattest. Verbrannt?
    Das würde ihm gefallen.
    – Ich hab ihn über den Schreibtisch zurückgeschoben.
    – Großartig, sagte er. – Die Augen. Die Finger.
    Er schob die Brille hoch. Er lehnte sich vor. Er guckte mich genau an und ließ es zu, dass ich ihn anguckte. Sanfte blaue Augen hatte er, die Augen eines gütigen Menschen, viel jünger als die Haut und die Falten drumherum. Aber er konnte mich nicht sehen. Ohne Brille war er blind.
    – Ich hab’s gewusst, sagte er. – Zwei Rebellen, gottverdammmich.
    Sein Grinsen war braun und breit und wollte ihm schier das Gesicht zerreißen.
    – Wenn das kein Film wird, Henry, sagte er. – So einen kriegt der alte Sack hier allemal noch hin. Verdammt gute Story.
    Damit fing es an. Und zog sich über Jahre hin.

3 | Eines Tages saß ein neues Bein an meinem Stumpf. Ich konnte mich nicht erinnern, dass ich es gekauft oder dass ich es geschenkt bekommen hätte. Ich ging gleich raus, um es auszuprobieren. Es war leicht, die Riemen waren weich und geräuschlos. Ich konnte gehen, ohne dass ich es hinter mir herschleppen oder mich vorbeugen musste, um es nach vorn zu ziehen, brauchte nicht zu warten, bis es sauber aufgesetzt hatte und ich den nächsten Schritt tun konnte.
    Ich war allein auf der Straße. Hinter den Mauern und Fenstern war Leben, aber die Straße selbst war wie ausgestorben. Ich wusste nicht, wo ich war, wie die Straße, wie das Hotel hieß, in dem ich eben noch gewesen war. Ich war geradewegs in die gleißende Helle hinausgetreten, ging jetzt auf die andere Straßenseite, die im Schatten lag, und erreichte problemlos den Gehsteig. Aus dem Schatten sah ich in die Richtung, aus der ich gekommen war, in den Glast und die schimmernde Luft. Weit weg, da, wo das Hotel war, sah ich eine Gestalt auf der Straße stehen, konnte aber nicht erkennen, ob es ein Mann oder eine Frau war. Aber ich dachte – ich hoffte –, es wäre eine Frau. Und diese Hoffnung war eine Empfindung, die gerade ihre Augen aufgeschlagen hatte und sich dehnte und reckte. Ich sah weiter hin, war gut aufgehoben im Schatten, den ich im Rücken spürte wie eine tröstende Hand. Die Gestalt wurde nicht größer, gewann nicht mehr Form oder mehr Farbe. Ich blieb stehen, bis sie verschwunden und keine andere an ihre Stelle getreten war. Ich hatte die Kraft dazu, das Bein gehörte schon jetzt mir. Ich wusste, was ich tat.
    Und dann war alles weg.
    Ich saß in einem Auto. Auf der Rückbank. Der Fahrer sprach mit mir. Ich sah seine Augen im Rückspiegel. Ich saß nicht zum ersten Mal in diesem Auto. Ich kannte die Augen.
    – Hat ’ne Weile gedauert, sagte er.
    Er hieß Bill, das wusste ich.
    Noch eine dieser langen Straßen. An diesem Ort gab es keine richtigen Ecken.
    Er war Fords Fahrer.
    Ich war in Fords Kombi.
    – Wo fahren wir hin? fragte ich.
    – Zu Mr. Ford, sagte Bill.
    – Wo ist das? fragte ich.
    – Odin Street.
    Das sagte mir nichts.
    – War ich da schon mal? fragte ich.
    – Glaub schon. Ja, Sir.
    Er guckte mich wieder an.
    – Vor drei, vier Tagen vielleicht, sagte er. – Hat diesmal eine Weile gedauert, bis ich Sie gefunden hab.
    – Wo war ich?
    – Da, wo wir gerade herkommen.
    – Wo war das?
    – Himmelherrgott –
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher