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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
Autoren: Charlotte Link
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Mann in die Einsamkeit zu entführen, um ihre Ehe zu retten.
     
    Seit sechzehn Jahren immer das gleiche: Jedesmal wenn Laura Selley Westhill House für mehrere Tage oder Wochen verließ, um es Mietern zu überlassen, die dafür bezahlten, sich hier breitmachen und wie Hausherren aufführen zu dürfen, ging sie auf jene stets ergebnislose, mühselige, deprimierende Suche nach etwas, wovon sie letzten Endes nicht einmal sicher wußte, ob es überhaupt existierte. Jagte sie einem Phantom hinterher? Hatte sie nicht längst jeden einzelnen Winkel dieses alten Farmhauses durchstöbert? Suchte sie nicht immer und immer wieder an denselben Stellen, wohl wissend, daß es kaum in der Zwischenzeit dort aufgetaucht sein konnte?
    Keuchend schob sie sich aus dem Wandschrank heraus, in den sie trotz ihrer schmerzenden Knochen hineingekrochen war, um in seinem Inneren zum hundertsten Mal das Unterste zuoberst zu kehren. Mit ihren siebzig Jahren war sie nicht mehr die Jüngste, zudem plagten sie seit Jahren heftige rheumatische Beschwerden, die besonders im Winter oft unerträglich wurden. Die kalten, rauhen Winde, die in die Täler Yorkshires brausten, machten die Krankheit nicht besser. Es würde ihr guttun, die Weihnachtstage und den Jahreswechsel bei ihrer Schwester im milden Südosten Englands zu verbringen. Wenn nur nicht in der Zwischenzeit fremde Menschen ...
    Sie stand vor dem Schrank, richtete sich langsam auf und preßte dabei leise stöhnend die Hand ins Kreuz. Ihr Blick ging zum Fenster hinaus über die hügeligen Wiesen Wensleydales, die im Sommer so grün und leuchtend waren, jetzt aber kahl und grau schienen. Nackte Baumäste bogen sich im Wind. Tiefhängende, geballte Wolken jagten über den Himmel. Ein paar Schneeflocken wirbelten
in der Luft. Der Radiosprecher hatte heute früh gesagt, daß sie über Weihnachten hier in Nordengland mit Schnee rechnen mußten.
    Man wird sehen, dachte Laura, man wird sehen. Wird ein langer Winter werden, so oder so. Es ist immer ein langer Winter hier oben. Ich sollte das Haus verkaufen und in ein warmes Land ziehen.
    Dann und wann hegte sie diesen Gedanken, wußte aber gleichzeitig genau, daß sie es nie tun würde. Westhill House war die einzige Heimat, die sie je gekannt hatte, ihre Zuflucht, ihre Insel in der Welt. Sie war gefesselt an dieses Haus, an dieses Land, auch wenn sie die Einsamkeit haßte, die Kälte, die Erinnerungen, mit denen sie hier zusammengesperrt war. Es gab keinen anderen Ort, an dem sie hätte leben können.
    »Wo könnte ich noch suchen?« überlegte sie laut. Im Haus wimmelte es von Wandschränken, kleinen Kammern, verwinkelten Ecken. Laura kannte sie alle, hatte in ihnen allen herumgekramt. Nie hatte sie etwas von Bedeutung gefunden. Vermutlich gab es nichts zu finden. Vermutlich machte sie sich nur verrückt.
    Sie verließ das Zimmer und stieg die steile Treppe ins Erdgeschoß hinab, ging in die Küche. Hier brannte ein warmes Feuer im Herd, und es roch nach den Weihnachtsplätzchen, die Laura am Vormittag gebacken hatte, um sie ihrer Schwester mitzubringen. Obwohl es seit fast vierzig Jahren einen Elektroherd in der Küche gab, benutzte Laura mit Vorliebe das eiserne Ungetüm aus der Zeit der Jahrhundertwende, auf dem früher für die ganze große Familie gekocht worden war. Sie hielt an alten Dingen verbissen fest, so ängstlich, als könne sie einen Teil von sich verlieren, wenn sie sich von etwas trennte, das einst zu ihrem Leben gehört hatte. Alles Neue empfand sie als feindselig. Sie fand die Entwicklung, welche die Welt nahm, höchst bedrohlich und bemühte sich, jeden Gedanken daran rasch zu verdrängen.
    Sie setzte Wasser auf, denn sie hatte das starke Bedürfnis nach einer Tasse heißen Tee. Dann mußte sie packen und die Betten für die Gäste beziehen. Morgen im Laufe des Tages würden sie eintreffen. Ein Ehepaar aus Deutschland. Sie hatte noch nie deutsche Gäste hier gehabt. Für sie waren die Deutschen noch immer Feinde aus zwei Weltkriegen, aber andererseits war auch Peter Deutscher gewesen. Doch an ihn mochte sie auch nicht denken, und es wäre ihr wirklich lieber gewesen, Franzosen oder Skandinavier hier aufzunehmen.
Aber sie brauchte dringend Geld, und es hatte sich sonst niemand gefunden, der Westhill House über Weihnachten mieten wollte.
    Laura inserierte regelmäßig in einem Katalog, der Ferienhäuser anbot. Mit ihrer bescheidenen Rente hätte sie die vielen anfallenden Reparaturen nicht bezahlen können, hätte das alte Haus dem
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