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Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin

Titel: Die Rosenzüchterin - Link, C: Rosenzüchterin
Autoren: Charlotte Link
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verbracht hatte. Vielleicht stand einem Menschen nahe, was er sein Leben lang kannte. Ob gut oder schlecht, das Vertraute grub sich seinen Weg in jene Winkel des Herzens, in denen Zuneigung geboren wurde. Irgendwann fragte man nicht mehr, was man gewollt hatte; man betrachtete, was man bekommen hatte. Und fand sich damit ab.
    Natürlich dachte sie ab und zu daran, wie ihr Leben in Cambridge ausgesehen hatte. An Abenden wie diesem kam ihr die alte Universitätsstadt in East Anglia besonders häufig in den Sinn. Sie hatte das Gefühl, an die tausend Mal – so wie heute – am Hafen gesessen und Sherry getrunken zu haben, und es war wie ein Sinnbild ihres Lebens - des Lebens, das sie anstelle von dem in Cambridge geführt hatte. Auch anstelle eines möglichen Lebens in Frankreich. Wenn sie damals nach dem Krieg mit Julien hätte nach Frankreich gehen können...
    Aber wozu, so rief sie sich zur Ordnung, sollte sie lange überlegen? Die Dinge waren so gelaufen, wie sie vielleicht hatten laufen müssen. In jedem Leben, davon war sie überzeugt, wimmelte es von verpaßten Chancen, von versäumten Gelegenheiten. Wer konnte von sich sagen, immer konsequent, zielstrebig und kompromißlos gewesen zu sein?
    Sie hatte sich abgefunden mit den Fehlern und Irrtümern ihres Daseins. Sie hatte sie eingeordnet zwischen all die anderen Ereignisse, die ihr widerfahren waren, und in der Menge verloren sie sich ein wenig, wurden unauffällig und blaß. Zeitweise gelang es ihr, sie völlig zu übersehen, manchmal sogar, sie zu vergessen.
    In ihrem Verständnis hieß das, daß sie sich abgefunden hatte.
    Nur mit den Rosen nicht.
    Und nicht mit Helene.

    Der Wirt vom Le Nautique in St. Peter Port näherte sich dem Tisch am Fenster, an dem die zwei alten Damen saßen.
    »Zwei Sherry, wie immer?« fragte er.
    Beatrice und ihre Freundin Mae sahen ihn an.
    »Zwei Sherry, wie immer«, erwiderte Beatrice, »und zweimal Salat. Avocado mit Orangen.«
    »Sehr gerne.« Er zögerte. Er unterhielt sich gerne, und zu dieser frühen Stunde – es war noch nicht einmal sechs Uhr am Abend – hatte sich noch kein anderer Gast ins Restaurant verirrt.
    »Es ist schon wieder ein Schiff gestohlen worden«, sagte er mit gedämpfter Stimme, »eine große, weiße Segelyacht. Heaven Can Wait heißt sie.« Er schüttelte den Kopf. »Eigenartiger Name, nicht wahr? Aber den wird sie kaum behalten, so wenig wie ihre schöne, weiße Farbe. Wahrscheinlich haben sie sie längst umgespritzt, und sie gehört schon irgendeinem Franzosen drüben auf dem Festland. «
    »Diebstähle von Yachten«, sagte Beatrice, »sind so alt wie die Inseln selbst. Es gibt sie und wird sie immer geben. Wen regt das noch wirklich auf? «
    »Die Leute dürften ihre Schiffe nicht wochenlang unbeobachtet lassen«, meinte der Wirt. Er nahm einen Aschenbecher vom Nachbartisch, stellte ihn zu den beiden Damen, gleich neben die Vase mit den Rosen, die in dieser Woche den Gastraum schmückten. Er wies auf das kleine, weiße Reservierungsschild. »Ich brauche den Tisch ab neun Uhr. «
    »Da sind wir längst weg.«
     
    Das Le Nautique lag direkt am Hafen von St. Peter Port, der Hauptstadt der Insel Guernsey, und durch die zwei großen Fenster des Restaurants hatte man einen wunderschönen Blick über die zahllosen Yachten, die dort vor Anker lagen; man hatte sogar den Eindruck, zwischen all den Schiffen zu sitzen und Teil des Lebens und Treibens dort zu sein.
    Man konnte vom Restaurant aus die Menschen beobachten, die über die hölzernen Stege schlenderten, konnte Kindern und Hunden beim Spielen zusehen, und man konnte schon ganz weit in der Ferne die großen Dampfer ausmachen, die Ferienreisende vom
Festland brachten. Manchmal glich der Blick dem auf einem Gemälde, bunt und unwirklich. Zu schön, zu vollkommen, wie die Fotografie aus einem Reisekatalog.
    Es war Montag, der 30. August, ein Abend voller Wärme und Sonne, und doch schon spürbar vom Nahen des Herbstes geprägt. Die Luft hatte nicht mehr die laue Weichheit des Sommers, sie war nun wie Kristall, kühler und frischer. Der Wind trug einen herben Geruch heran. Die Möwen schossen vom Meer zum Himmel hinauf und wieder zurück, wild schreiend, als wüßten sie, daß Herbststürme und Kälte bevorstanden, daß schwere Nebelfelder über der Insel liegen und das Fliegen beschwerlich machen würden. Der Sommer konnte noch zehn Tage oder zwei Wochen andauern. Dann wäre er unwiderruflich vorbei.
    Die beiden Frauen sprachen wenig miteinander. Sie
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