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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman
Autoren: Sylvia Lott
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an den knackenden Kamin. Und dann tranken sie Brüderschaft und prosteten einander immer wieder mit dem Ammerländer Löffeltrunk zu.
    Die drei Nachkommen der verfeindeten Blutsbrüder waren tief bewegt. Sie versuchten zu begreifen, was sich damals abgespielt hatte und was es für sie heute bedeutete. Nicht Carl, sondern Gustav war der Vater von Charles.
    Max versprach Hella, sie bald mit seinem Vater zu besuchen. »Er ist ja immerhin dein Halbbruder!«
    »Ich dachte immer, ich hätte keine Geschwister …« Hella konnte es kaum fassen. »Und du bist dann mein Neffe, Max.« Das freute sie sichtlich.
    Sie las noch ein paar Seiten, kämpfte gegen ihre Müdigkeit an. »Ich glaube, sie haben Kathryn beide geliebt«, sagte Hella, als das Gähnen ihre Lektüre immer häufiger unterbrach. Sie klappte das Büchlein zu.
    »Und sie hat wohl beide Männer geliebt«, vermutete Max. »Es scheint, den Carl mehr als Gustav, aber immerhin hat sie einen Sohn von Gustav …«
    »Was für eine Geschichte.« Julia seufzte. »Es ist so traurig … Ich glaube, auch Carl und Gustav haben sich geliebt. Sonst hätten sie sich zum Schluss nicht so gehasst! Aber die Prophezeiung erfüllte sich …« Gustav hatte doch einen Sohn und einen Enkel bekommen – in der Tat war seine Saat aufgegangen, anders als erwartet! Carls Züchtungen hatten die Welt schöner gemacht. Und Kathryn hatte bei einem Leben in Wohlstand vielen Menschen in Not helfen können.
    Als die Uhr zwei schlug, klatschte Hella in die Hände. »Schluss für heute!«
    Ohne sich auf lange Diskussionen einzulassen, wies sie beiden je ein Zimmer im ausgebauten Dachgeschoss zu. »Die Betten sind immer frisch bezogen, für meine früheren Schüler. Außerdem ist heute Rhodo-Eröffnung, da bekommt ihr sowieso kein Taxi.«
    »Wir könnten Hein anrufen«, protestierte Julia schwach.
    »Der hat gerade bestimmt was Besseres zu tun«, meinte Max augenzwinkernd.
    Julia musste gähnen. Es war tatsächlich alles ein bisschen viel gewesen die letzten Tage. Sie und Max folgten Hella ohne weiteren Widerspruch nach oben.
    »Übrigens, was machen die Halsschmerzen eigentlich?«, wollte Max auf der Treppe wissen.
    Julia griff sich an den Hals, sie schluckte probehalber. »Sind weg! Super, euer Merlin!« Sie erklärte Hella, was es damit auf sich hatte. »Dieser Druide hat Max sogar von seiner Allergie geheilt.«
    »Ach …« Hella blieb stehen. »Du musst doch nicht auch ständig niesen im Sommer, mindestens neun Mal hintereinander?«
    »Doch!«
    »Falls es noch eines Beweises bedurft hätte …« Hella schüttelte den Kopf. »Das ist ein Familienerbe der ter Fehns, mein Junge. Mein Vater ist davon, so behauptete er, von einem Medizinmann in Sikkim befreit worden. Aber ich plage mich schon mein Leben lang damit herum …«
    »Von Mai bis September?«
    »Genau. Zum Glück ist es dieses Jahr wegen des schlechten Wetters noch nicht losgegangen. Aber ich hasse es!«
    »Ich werde dir umgehend die richtigen Heilmittel dagegen aus Jersey schicken.«
    »Dat do!«, wiederholte Hella verschmitzt einen Satz aus dem Trinkspruch. »Dahinten ist ein kleines Gästebad mit Einwegzahnbürsten und so weiter.«
    Sie öffnete die Gästezimmertüren rechts und links vom Flur. Dicke, mit blauweiß karierter Wäsche bezogene Federbetten erwarteten sie.
    »Danke, Hella! Gute Nacht, ihr beiden.«
    Julia ließ sich, wie sie war, aufs Bett plumpsen. Das erlaubte sie sich sonst nie, selbst nach langen Nächten schminkte sie sich immer ab und putzte die Zähne. Heute war alles anders. Sie hörte noch vor der Tür: »Gute Nacht, mein Neffe.« »Gute Nacht, Tante Hella.« Dann sank Julia in einen tiefen, festen Schlaf.
    Max dagegen lag noch eine Weile wach und dachte nach. Ob seine Großmutter gewusst hatte, dass sein Vater der Sohn von Gustav war und nicht der von Carl …? Solange er sich erinnern konnte, hatte sie versucht, in ihm die Liebe zur Natur und besonders zu Pflanzen zu wecken. »Wie dein Großvater«, lobte sie, wenn er botanisches Interesse zeigte. Er dachte an den letzten Tag, den er mit ihr verbracht hatte. Den letzten Tag ihres Lebens.
    An jenem Abend war auch seine Allergie ausgebrochen. Als er mit der Lupe das Getier im Rasen untersucht hatte und seine Großmutter oben am Fenster stand. Er erinnerte sich wieder an ihr entgeistertes Gesicht, als er nieste und nieste und nieste …
    Endlich schlief er ein. Max träumte. Er war elf Jahre alt und betrat den Raum, in dem seine Großmutter lag. Zaghaft näherte er
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