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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman
Autoren: Sylvia Lott
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sich ihrem Bett. »Grandma …?« Ihre Hände waren eiskalt. Er blies hinein, so wie sie es früher bei ihm gemacht hatte, als er noch klein gewesen war. Ihr Blick war nach innen oder in eine weite Ferne gerichtet, sie erkannte ihn wohl nicht. Doch sie begann zu lächeln.

Jersey
    August 1990
    Kathryn lächelte. Ihre Grübchen vertieften sich und ließen sie fast mädchenhaft wirken. Das eine Geheimnis hatte ein anderes Geheimnis nach sich gezogen. So war das immer mit Geheimnissen. Das eine hatte 1930 begonnen, das andere 1953. Jetzt, in diesem seltsamen Dämmerzustand, der womöglich ihren Abgang von dieser Welt ankündigte, erinnerte sie sich daran, wie 1953 das zweite große Geheimnis in ihr Leben gekommen war.
    Im Vorjahr hatte sie es nicht über sich gebracht, die Chelsea Flower Show zu besuchen. Es ging ihr gotterbärmlich schlecht ohne Carl. Auch zwei Monate Kur an der Côte d’Azur, wohin Alfred sie geschickt hatte, konnten ihren Zustand nicht bessern. Sie magerte immer mehr ab. Sie wusste nicht mehr ein noch aus.
    Hatten sie bei all ihren Versprechen nicht eine Ausnahmeklausel vereinbart: »… außer einer hat das Gefühl, daran zu sterben …?« Fast zwei Jahre waren seitdem vergangen, und exakt dieses Gefühl nahm ihr immer noch und immer stärker die Luft zum Atmen, die Freude am Leben.
    Als Mitglied der Royal Horticultural Society erhielt sie schon vorab das Programm mit dem Ausstellerverzeichnis. 1952 hatte der Baumschulbetrieb Jonas gefehlt. Aber in diesem Jahr stand der Name drin und versetzte Kathryn in Unruhe. Sie besuchte Samantha, ihre einzige Vertraute in dieser Angelegenheit. Sam fand immer schon, dass Liebe wichtiger sei als alle Regeln und Gesetze, sie zögerte nicht lange.
    »Liebe Kathryn, in deiner Verfassung zählen keine Versprechen und keine Gelübde mehr.«
    Kathryn nickte. Sie musste ihn sehen, sonst würde sie sterben. »Begleitest du mich? Allein habe ich Angst zusammenzubrechen.«
    Carl Jonas hatte zu seiner Unterstützung wieder Bill Landsbury engagiert. Seit der Eröffnungsrede von Lord Aberconway wartete Carl nervös neben seinen schönsten Züchtungen darauf, dass alles »besser als je zuvor« würde. Er spähte zur Eingangstür, strich sich durchs Haar, rückte seine Krawatte zurecht. Gleichklang der Herzen – das war doch nicht nur Schmu?
    Und sie kam. Sie kam!
    Kathryn schlenderte, eingehakt bei ihrer Freundin Samantha, mit damenhafter Gelassenheit an den Ständen vorüber, bis sie den seinen erreicht hatte. Sie war sehr schlank geworden. Ihre Augenlider flatterten vor Aufregung. Bill Landsbury erkannte sie und grüßte höflich. Samantha ließ ihre Freundin los. Mit einem ergriffenen Lächeln zog sie sich zurück und verwickelte Bill Landsbury leise in ein Gespräch.
    Carl strahlte Kathryn an.
    »Ich wusste, dass du kommst!« Das waren vor zwei Jahren ihre ersten Worte an ihn gewesen.
    Er griff sich mit der Rechten an die Brust. Es fühlte sich an, als wollte sein Herz gleich vor lauter Freude heraus- und ihr entgegenspringen.
    Kathryns Augen strahlten, sie lächelte verschmitzt. »Du fällst doch nicht in Ohnmacht?«
    Er schmunzelte. »Und wenn, dann würd ich’s nicht zugeben!«
    Carl atmete tief ein, er streckte ihr beide Hände entgegen. Eine Umarmung hätte die Lady in der Öffentlichkeit kompromittiert. Sie versanken in einem Blick, der Eisberge zum Schmelzen gebracht hätte.
    Kathryn hauchte Carl einen Kuss auf die Wange. Sie raunte: »Mein Jaguar steht um die Ecke im Halteverbot. Das Gästehäuschen in Cornwall wäre für ein paar Tage frei.«
    Carl begriff. Er wandte sich an Bill, wollte ihn darum bitten, sich wieder um den Stand zu kümmern. Doch der hatte längst verstanden, was sich da gerade abspielte, und tippte an seine Stirn. »Ay ay, Käpt’n«.
    Carl und Kathryn brausten nach Cornwall und verbrachten dort drei Tage und Nächte. Sie hatten zwar ein schlechtes Gewissen, doch es war in Relation zu ihrem Glück recht klein und schrumpfte auch noch mit der Zeit.
    »Wir haben es ja versucht.«
    »Genau. Kein Mensch kann behaupten, wir hätten nicht wirklich nach Kräften dagegen angekämpft.«
    Von nun an verbrachten Kathryn und Carl alljährlich einige Tage der Chelsea Flower Show in dem kleinen Häuschen – zwanzig Jahre lang. Am Tag der Medaillenvergabe war Carl stets wieder in London.
    In den ersten Jahren verließen sie an »ihren« Chelsea-Tagen kaum das Bett. Mit der Zeit wurden andere Gemeinsamkeiten wichtiger. Nach Alfreds Tod 1965 unternahmen sie
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