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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman
Autoren: Sylvia Lott
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auch häufiger Ausflüge in berühmte Gärten und Parks.
    Außer den Apples und Bill Landsbury, der nichts Genaues wusste, sondern nur seine Vermutungen pflegte und für sich behielt, wusste und erfuhr auch nie jemand von ihren heimlichen Treffen.
    Gesine spürte zwar manchmal Misstrauen und Eifersucht in sich aufsteigen. Aber da Carl immer pünktlich nach Beendigung der Gartenbauausstellung zurück war, beließ sie es dabei.
    Sowohl Carl als auch Kathryn gewannen die Überzeugung, dass beide Ehepartner letztlich sogar von diesem Arrangement profitierten. Denn nur mit der Aussicht aufs nächste Jahr ertrugen sie die Trennung von dem Menschen, den sie am meisten auf der Welt liebten.
    Im Mai 1973 schwebte schon der Hauch einer Ahnung davon, dass es vielleicht das letzte Mal war, über ihrem Beisammensein. Carl fühlte sich körperlich nicht gut. Trotz Kathryns Anwesenheit, die ihn sonst immer um Jahre jünger machte.
    Kathryn sagte ihm nie, dass sie Charles für seinen Sohn hielt. Dadurch hatte sie das Gefühl, dass sie Alfred weniger betrog. Und irgendwann fand sie es auch einfach zu spät für ein Geständnis.
    Es war sehr schlimm für sie gewesen, ziemlich genau ein Jahr später die Minute seines Todes zu fühlen und durch die Traueranzeige Gewissheit zu bekommen. Niemand kannte ihr Geheimnis, niemand verstand, weshalb sie trauerte. Um über Carl reden zu können, fuhr sie sogar eines Tages zu Bill Landsbury und kaufte bei ihm Orchideen. Doch die vielen kleinen Geschichten und Gesten, über die Hinterbliebene sonst mit Freunden und Verwandten sprechen konnten, blieben in Kathryn verschlossen. Abgesehen davon war mit Carl der Mensch gestorben, der Kathryn gekannt hatte wie kein anderer, in ihrer äußersten Lebendigkeit. Ein Teil von ihr war mit ihm gegangen.
    Ein Trost lag für sie in der Hoffnung auf ein Leben nach dem Tode. Ein anderer Trost war die Hoffnung auf ein Weiterleben in ihrem gemeinsamen Sohn und Enkelsohn.
    Als Kathryn an diesem Augusttag 1990 Maximilian unter ihrem Fenster auf dem Rasen dabei beobachtete, wie er mit der Lupe Insekten untersuchte und hörte, wie er nieste, etliche Male, so wie einst Gustav geniest hatte, da überschlugen sich ihre Gedanken. Oh, wie gut, dass ich es Carl nie gesagt habe! Charles ist überhaupt nicht sein Sohn! Charles ist der Sohn von Gustav! Das bedeutete, ja, das musste bedeuten, dass sie diesen seltsamen leidenschaftlichen Lusttraum mit dem gesichtslosen Mann nicht geträumt hatte! Es hatte sich wirklich so zugetragen an Gustavs letztem Abend in Geestra Valley. Nachdem sie ihm seine Verletzung durch den Schneeleoparden verarztet und sie beide reichlich Whisky getrunken hatten – als Medizin, jedenfalls anfangs –, und nachdem er sie geküsst hatte, daran erinnerte sie sich noch, es hatte ihr auch gefallen, nur war irgendwann dieser Filmriss gekommen …
    Kathryn griff sich ans Herz. Ihr Kopf verstand es, ihr Gefühl noch nicht. Gustav also. Unglaublich! Gustav … Sie schüttelte den Kopf … Das war ja völlig verrückt.
    Wieder durchfuhr sie dieser Schmerz. Kathryn bekam kaum noch Luft. Mit letzter Kraft schleppte sie sich zum Bett, ließ sich auf die seidene Überdecke sinken. Sie schloss die Augen und versuchte zu entspannen. Ihr war so kalt.
    Sie sah ein helles Licht, gleißend, und dennoch angenehm, von Liebe durchdrungen. Es entwickelte einen verheißungsvollen Sog, dem sie zu gerne folgte. Wie durch Nebelschwaden erblickte sie ihre Mutter mit ihrem Bruder Aldous, dahinter tauchte ihr Vater auf. Sie winkten ihr glücklich zu. Kathryn ging in den Lichttunnel hinein. Der weise Lama erschien, er begrüßte sie mit einem wissenden Lächeln.
    Jetzt verschwamm wieder alles. Sie hörte ein Geräusch. Ihre Hände fühlten sich wieder eiskalt an. Doch nun nahm sie jemand und pustete seinen heißen Atem hinein. Wie wohl das tat! Durch den Nebel hörte sie zwei freudige Männerstimmen: »Da bist du ja endlich, Queen of Darjeeling!« Sie spürte eine warme Wange an ihrem Hals.
    Die Nebelschleier zerrissen. Carl und Gustav standen da, jung und schön und gut gelaunt, und nahmen sie in ihre Mitte wie damals, als sie zu dritt den Mond über dem Kangchendzönga bestaunten. In Kathryns allerletzten Gedanken auf Erden mischte sich ihr erstes Lachen im Jenseits: Ich hab für euch eine pyramidale Nachricht!

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