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Die Rose der Highlands

Die Rose der Highlands

Titel: Die Rose der Highlands
Autoren: Karen Ranney
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bis dahin müssen wir fort sein.« Angst und Unsicherheit blickten ihm entgegen. »Ihr dürft nur einpacken, was ihr mit einer Hand tragen könnt«, fuhr er fort, »denn wir nehmen den Weg um die Felsen von Gilmuir.«
    »Ich weiß von keinem Weg um Felsen«, grollte eine Stimme hinter ihm. Ian drehte sich um und sah sich Hamish gegenüber, der breitbeinig dastand, seinen Dudelsack unter dem einen Arm, und die freie Hand, zur Faust geballt, in die Seite gestemmt. Er erinnerte ihn an einen angriffslustigen Hahn, der seinen Hof verteidigte.
    »Sieh an, sieh an – es ist also der Schlächter höchstpersönlich, der gekommen ist, um diejenigen zu führen, die töricht genug sind, zu gehen«, höhnte Hamish. »Wohin will ein englischer Colonel die MacRaes wohl bringen? Geradewegs in die Hölle? Oder nur ins Gefängnis?«
    Ein allgemeines entsetztes Aufstöhnen folgte seinen Worten.
    Leitis trat zu Ian und umfasste seinen Arm. »Die Engländer werden ihn suchen, weil er Ian MacRae ist«, erklärte sie dem Clan.
    »Unsinn!«, polterte ihr Onkel. »Er ist der Schlächter von Inverness.«
    »Und er ist ein Mann, der sein Leben aufs Spiel setzt«, wandte sie sich in scharfem Ton an ihn. »Und zwar nicht um seines Stolzes willen«, sie warf einen beredten Blick auf den Dudelsack, »sondern um anderer Menschen willen.«
    »Was du nicht sagst.«
    »Es ist wahr«, bekräftigte sie.
    Hamish musterte Ian scharf. »Wenn Ihr tatsächlich Ian MacRae seid«, sagte er, »dann würde Euer Großvater sich im Grab umdrehen, wenn er sehen könnte, was aus Euch geworden ist.«
    Ian trat einen Schritt auf ihn zu. »Das sagt mir ausgerechnet ein so selbstsüchtiger Mann wie Ihr?«, fragte er ungläubig. »Ihr habt zugelassen, dass Leitis um Euretwillen als Geisel festgehalten wurde, und Euch nicht darum geschert, was ihr vielleicht geschehen würde.«
    Er stand so dicht vor dem alten Narren, dass er ihn hätte packen und ins nächste Gebüsch schleudern können. Dass er den Wunsch dazu verspürte, veranlasste Ian, seine Hände zu Fäusten zu ballen.
    »Ich werde nicht gestatten, dass noch jemand unter Eurem Stolz zu leiden hat, Hamish.«
    Er blickte in die Runde. »Es ist wahr – ich bin zur Hälfte Engländer«, bekannte er, »aber die Soldaten im Fort würden mich dafür bestrafen, dass ich zur Hälfte
Schotte
bin.«
    »Einige von euch kennen Ian als den Raben«, mischte Leitis sich ein. »Er hat euch allen geholfen.«
    Ein Mann drängte sich nach vorne durch. »Er hat mir zu essen gebracht.«
    »Mir auch«, sagte eine alte Frau. Die Leute bildeten eine Gasse und ließen sie vortreten.
    »Und er hat uns unbeschadet hierhergebracht«, führte eine andere an. Er erkannte sie als die Mutter, deren Zwillinge er auf den Armen durch das Unwetter getragen hatte.
    Es folgten noch eine ganze Reihe weiterer Dankbarkeitsbekundungen, doch Hamish behielt seinen grimmigen Ausdruck bei.
    »Es bleibt nicht mehr viel Zeit«, mahnte Ian. »Ihr könnt mir entweder vertrauen oder hierbleiben. Beides verspricht keine Sicherheit und kann euren Tod bedeuten, das möchte ich euch nicht verhehlen. Alles, was ich euch versprechen kann, ist Freiheit.«
    »Du gehst mit ihm, Leitis?«, fragte eine junge Frau.
    Leitis nahm Ians Hand und schaute zu ihm auf. »Ja, das tue ich.«
    Ein alter Mann trat vor und musterte ihn ebenso scharf, wie Hamish es getan hatte. »Ihr seid der Enkel des alten Lairds?«
    »Ja.«
    »Das genügt mir. Kein englisches Blut kann wahres schottisches verwässern.« Der Alte wandte sich an die Versammelten. »Lasst uns gehen.«
    Die Dörfler nickten.
    Der Auszug aus Gilmuir ging still vonstatten. Niemand warf noch einen Blick auf sein Haus, und abgesehen von einigen leisen Bemerkungen äußerte niemand Kummer über Besitz, den er zurücklassen musste. Die Leute hatten begriffen, dass Erinnerungen das wertvollste Gut waren.
    Die Spätnachmittagssonne warf lange Schatten, als sie in den Wald eintauchten. Ein frischer Nordwind ließ die Äste tanzen, als winke die Natur den Scheidenden mit belaubten Armen zum Abschied.
     
    Hamish MacRae schaute ihnen mit dem Dudelsack unter dem Arm nach. Das MacRae-Klagelied wäre die passende Musik für diesen Moment gewesen, denn er wusste, dass er seine Leute gerade für immer verlor. Doch er wagte nicht, es zu spielen, weil er fürchtete, sie damit in Gefahr zu bringen.
    Noch nie hatte er sich so alt und nutzlos gefühlt. Und so geschämt. Die Worte des Schlächters hatten ihn tief getroffen. Er hatte Leitis in
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