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Die Reiter der Sarmaten

Die Reiter der Sarmaten

Titel: Die Reiter der Sarmaten
Autoren: Gillian Bradshaw
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sagen«, erwiderte Arshak zuversichtlich. »Der Stützpunkt hat bestimmt seinen eigenen Kommandanten. Bononia ist ein großer Platz, der Kommandant wird ein bedeutender Mann sein, ein Legat oder ein Prokurator. Und ihr müßt bemerkt haben, daß nicht einmal ein Tribun sich von einem Zenturio etwas sagen läßt, wie dienstalt dieser auch sein mag. Es dürfte nicht schwierig zu erreichen sein, daß man uns mit unseren Männern zu den Wagen schickt.« Arshak lächelte, dann fügte er heftig hinzu: »Facilis’ Skalp gehört mir.«
    Ich seufzte. Ich war mir nicht klar, was ich empfand, als ich auf den Ozean hinausblickte, aber es war nicht Zorn oder Angst. Vielleicht war es Hoffnung. Ich hatte genug von den beiden Welten, die ich kannte, der sarmatischen ebenso wie der römischen, und hier waren wir bis an das Ende der Welt gekommen und ritten nun hinab zum Meer. Jenseits des Horizontes erwartete uns vielleicht etwas Großartiges und Geheimnisvolles. Warum sollte mein Weg ausgerechnet hier enden, in einer römischen Stadt? Warum nicht weiterziehen? Ich dachte plötzlich an eine weit zurückliegende Zeit, als ich nach Osten aufgebrochen war, in der Hoffnung, das Jadetor des Seidenlandes zu erreichen. Aber auf halbem Wege hatte man mich zurückgerufen. Ich bedauerte das immer noch. Warum jetzt wieder anhalten, unmittelbar vor dem Ozean?
    Natürlich, ich war erschöpft. Es waren Dinge in unserem Krieg mit den Römern geschehen, die mich vor Qual fast wahnsinnig gemacht hatten, und als der Krieg zu Ende war, fühlte ich mich, als gehörte auch ich zu den Toten. Außerdem war ich am Bein verwundet worden und hatte die ersten siebenhundert Meilen mit geschientem Bein reiten müssen, vor Schmerzen fast betäubt, dahindämmernd wie in einem Traum. Manchmal fuhr ich mit jähem Erschrecken auf, wußte nicht, wo ich war, meistens aber ritt ich, aß ich, schlug mein Lager auf und gab meinen Männern Befehle, so als stände ich hinter mir selbst und beobachtete mich.
    »Und wenn sie die Wahrheit sagen?« fragte ich. »Wenn dort wirklich eine Insel ist?«
    »Warum solltest du ihnen glauben?« gab Arshak zornig zurück. »Warum sollten wir ihnen trauen?«
    »Ich traue ihnen nicht«, antwortete ich. »Aber wir haben dem Kaiser einen Eid geschworen, und wir wissen noch nicht sicher, daß er gelogen hat. Wenn wir jetzt gegen sie kämpfen, werden wir alle sterben. Du brennst darauf, Facilis zu töten, aber wenn du für dieses Vergnügen mit dem Blut aller deiner Männer bezahlen mußt – ist es das wert? Selbst wenn wir es schaffen sollten, an unsere Waffen heranzukommen, selbst wenn wir ihnen eine solche Schlacht lieferten, daß sie sich hinter ihre Wälle zurückziehen müßten, wir könnten immer noch nicht in unsere Heimat zurückkehren, nicht über mehr als tausend Meilen durch ein Land, das von unseren Feinden besetzt ist. Der Kaiser würde erfahren, was wir getan haben, und er müßte sich sagen, daß sarmatische Krieger, auch wenn sie sich ergeben und einen Friedensvertrag schließen, immer Aufrührer bleiben und römisches Blut vergießen. Und er wird nie wieder sarmatische Truppen in Dienst nehmen. Was könnte unser Volk dann geben, um den Frieden zu erkaufen?«
    Arshak sah finster vor sich hin. »Er wollte uns sowieso alle töten. Er hat uns verraten, und er wird unsere Leute in der Heimat verraten, ganz gleich, was wir tun.«
    »Besser auf dem Land sterben als im Wasser«, rief Gatalas. »Zumindest kann auf dem Land die Seele frei zur Sonne fliegen.«
    »Aber wenn es eine Insel gibt? Wenn Britannien wirklich existiert, würden wir es sein, die zuerst Verrat begehen.«
    »Eine Insel im Ozean, jenseits der Grenzen der Welt!« höhnte Arshak. »Eine unsichtbare Insel! Wenn Facilis dir erzählte, es gäbe eine Insel dort oben am Himmel, du brauchtest nur auf einen hohen Berg zu steigen und hinabzuspringen, um sie zu erreichen – würdest du ihm glauben und springen?«
    »Ich würde keinen Weg wählen, an dessen Ende alle unsere Männer tot wären. Ich würde zumindest einen Stein in den Abgrund werfen, um zu hören, wo er landet. Und ich bin nicht sicher, daß die Römer eine römische Provinz jenseits des Horizontes des Ozeans erfinden würden, bloß um uns in eine Falle zu locken. Es mag durchaus sein, daß Britannien nur dreißig Meilen von hier entfernt liegt.«
    »Ich werde den Ozean nicht überqueren«, schrie Gatalas zornig. »Ich will, wie es sich gehört, in dieser Welt sterben, und das gilt auch für meine Männer!«
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