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Die Reise

Die Reise

Titel: Die Reise
Autoren: David Gregory
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Liebe darstellen. Na ja, es war erst seine zweite Trauung, und Legastheniker war er auch, hat man uns später verraten. Warum wir überhaupt kirchlich geheiratet haben, ich weiß es nicht. Aber er hat Recht gehabt, der Herr Pastor.«
    »Es kommt oft vor, dass jemand mit einem Fehlstart beginnt.«
    »Also, dann haben
wir
den richtigen Start nie geschafft. So hat es sich jedenfalls angefühlt. Bevor wir zum Traualtar gingen, war das nicht so; da war alles in Butter. Aber am Anfang einer Beziehung ist immer alles in Butter; später kommt dann die Langeweile bei mir. Das heißt, bei Nick ist es mir eigentlich nie langweilig geworden. Das Interesse an ihm verloren hab’ ich nie.«
    Ich merkte, dass die Warteschlange vor der Theke auf einmal fast bis an unseren Tisch reichte. Es waren wohl gerade ein, zwei besonders volle Maschinen gelandet. Wir schoben unsere Stühle etwas zur Seite, um den Leuten mehr Platz zu machen. Dann fuhren wir fort mit unserem Gespräch.
    »Warum haben Sie Ihr Interesse an Nick nie verloren?«
    »Ich schätze mal, weil seine Welt sich nicht pausenlos um mich drehte. Er war echt auf seine Karriere konzentriert, und das gefiel mir.«
    »Inzwischen scheint es Ihnen nicht mehr zu gefallen.«
    »Ja, das stimmt. Ich schätze, ich hab genau das gekriegt, was ich wollte: jemanden, der ein anderes Leben hatte, der sich nicht an mich klammerte. Aber jetzt reicht mir das nicht mehr.«
    »Was wünschen Sie sich denn in Ihrer Ehe?«
    »Wahrscheinlich eine innere Nähe … die genauso befriedigend ist wie die Leidenschaft, die wir anfangs hatten. Ich weiß, dass sich so eine Leidenschaft nicht durchhalten lässt; das schafft keiner. Aber ich hatte gedacht, dass sie in eine mehr seelische Verbundenheit übergehen würde, die auf ihre Art genauso befriedigend wäre. Aber dazu ist es nicht gekommen.«
    Ich trank den Rest meines Kaffees und fuhr fort. »Haben Sie das je erlebt – eine echt erfüllende innere Verbundenheit in einer dauerhaften Beziehung?«
    »Ja, doch. Das erlebe ich sogar ständig.«
    »Echt?« Ich war platt über diese Antwort. »Und wie?«
    »Also …« Er lächelte. »Das ist eine lange Geschichte.«
    Ich schaute kurz auf meine Uhr.
Reicht die Zeit noch? Ich würde zu gerne sein Geheimnis erfahren
.
    Er räusperte sich. »Und was, meinen Sie, hält Sie davon ab, das in Ihrer Ehe zu erleben?«
    Ich dachte einen Augenblick nach. »Ich hab einfach den Eindruck, dass Nick mich nicht wirklich kennt. Er bildet sich ein, dass er mich kennt, aber er versteht nicht wirklich, was in mir vorgeht, was meine Träume sind, was … ich weiß nicht. Die meiste Zeit hat ihn immer seine Arbeit auf Abstand zu mir gehalten. Und jetzt ist es diese Jesus-Geschichte.«
    Ich merkte, wie ich mich aufsetzte. »Ich möchte nicht mit jemandem verheiratet sein, der neben mir im Bett liegt und den Fernseher laufen hat und begeistert zuschaut, wie irgendein Guru die Leute an der Stirn berührt und sie fallen prompt um und behaupten, dass sie von ihrem Krebs geheilt sind. Das hält ja ein Elefant nicht aus!«
    Er kicherte. »Schaut Ihr Nick sich solche Sachen an?«
    »Nein, bis jetzt noch nicht. Es sei denn heimlich, während ich im Bad bin.«
    Er lachte, jetzt lauter. Ich lachte mit. Es war auch zu komisch, das Bild: Nick, wie er, ein Auge auf die Badezimmertür gerichtet, durch die religiösen Sender zappte, während ich meine Zähne putzte. Als ob es die schlimmsten Pornos wären.
    »Und wenn Sie also eine erfüllendere Ehe hätten?«, fragte er. »Würde Sie das glücklich machen?«
    »Es würde helfen.«
    »Aber würde es das Loch, das ganz tief in Ihrer Seele ist, füllen?«
    »Ich … weiß nicht. Mit Nick kann ich mir das … schwer vorstellen.«
    »Und wenn es jemand anderes wäre als Nick?«
    »Tja … vielleicht.«
    »Und wer wäre dieser andere?«
    »Also …« Mir kam nur ein Name in den Sinn bei dieser Frage. »Auf der Oberschule bin ich ein Jahr lang mit einem Jungen gegangen, Jason Payne. Ich war bis über beide Ohren in ihn verliebt, und seitdem frage ich mich immer mal wieder, wie es wohl gegangen wäre, wenn wir zusammengeblieben wären.«
    Die Schlange vor der Theke war wieder geschrumpft. Trotzdem senkte ich meine Stimme etwas, als ich fortfuhr. »Ich denke ziemlich oft an ihn. Das klingt jetzt ziemlich pervers, ich weiß.«
    »
Pervers
würde ich nicht sagen. Es klingt mir nach jemandem, der auf der Suche nach Erfüllung ist. Aber wie ist es weitergegangen mit Ihrer Jugendliebe?«
    »Jason war ein Jahr
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