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Die Reise nach Uruk

Die Reise nach Uruk

Titel: Die Reise nach Uruk
Autoren: Vampira VA
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Elisabeth hatte es lange nicht fassen können, so glimpflich davongekommen zu sein .
    Ihr Vorhaben, den Landweg nach Mesopotamien nehmen zu wollen, hatte sie fallen lassen. Denn Karim, dem sie in einem belebten Bazarviertel begegnet war, hatte ihr leidenschaftlich abgeraten und überzeugend die Ansicht vertreten, daß es leichter, wenn auch von der Strecke her ein Umweg sei, über Kairo, Suez und Sharm ans Rote Meer zu reisen und dort auf ein Schiff zu gehen, das über die Straße von Hormuz bis nach Al Basrah segelte. Von da aus sollte es nur noch eine Dreitagesreise bis Uruk sein.
    Erst nach diesem Hagel an Ratschlägen hatte Karim durchblicken lassen, daß er selbst diesen Weg zu nehmen gedachte .
    Zwischen ihnen war sofort der Funke gegenseitiger Sympathie übergesprungen. Es fiel auch leicht, Karim zu mögen, denn er trug immer einen Scherz auf den Lippen, und ihm gelang mühelos, was Elisabeth fast nicht mehr für möglich gehalten hatte: Er brachte sie zum Lachen.
    Karim hatte auf Geheiß seines Vaters ein paar Jahre in Italien gelebt, so daß es kaum echte Verständigungsprobleme zwischen ihnen gab. Elisabeth selbst beherrschte neben ihrer Geburtssprache Englisch auch das Französische, Italienische und Japanische fließend; nur Arabisch und Deutsch bereiteten ihr nach wie vor Mühe, ob -wohl sie sich während der Jahre im Monte Cargano intensiv darum bemüht hatte, auch diese Sprachen zu erlernen. Vom Arabischen hatte sie immer gewußt, daß sie es eines Tages brauchen würde. Aber ebenso wie die für ihr Empfinden zu harte deutsche Sprache wollte auch der Dialektreichtum, der in diesen Breiten gepflegt wurde, nicht in dem Maße an sie gehen, wie sie es sich gewünscht hätte.
    Daß sie des mindestens ebenso schwierigen Japanischen mächtig war, war ihrer Mörderin zu verdanken: Lilith Eden hatte es sie mit Hilfe ihrer magisch-hypnotischen Fähigkeiten gelehrt, zu einer Zeit, da Gewalt noch kein Thema zwischen ihnen gewesen war.
    Karim hatte ihr alle erdenkliche Unterstützung angeboten, und Elisabeth betrachtete ihn inzwischen längst als Wink des Schicksals. Ihre anfängliche Skepsis und Vorsicht, die aus den unguten Erfahrungen mit Pescara entsprangen, hatte sie schnell abgelegt. Karim war aus anderem Holze geschnitzt. Die Offenheit, mit der er über seine Kastration sprach, nahm Elisabeth außerdem für ihn ein. Sie war verblüfft, daß dieses Thema für Karim nicht tabu war.
    »Es wäre eine Lüge«, hatte er ihr während eines ihrer nächtlichen, nicht enden wollenden Gespräche an Deck gesagt, »wenn ich behaupten würde, ich empfände nichts mehr beim Anblick einer schönen Frau. Aber das meiste davon spielt sich in meinem Kopf ab. Phantasien, du verstehst?«
    »Ich verstehe«, hatte Elisabeth erwidert und sich gewundert, daß auch ihr das Thema nicht unangenehm war. Das Geheimnis schien darin zu liegen, daß sie Karim vertraute, obwohl sie einander erst kurze Zeit kannten. Bei ihm hatte sie nicht einen Moment das Gefühl, er könnte etwas fordern, wozu sie nicht selbst bereit war.
    Anfangs hatte ihr dabei nur Probleme verursacht, daß sie Schuldgefühle gegenüber Tobias entwickelte. Sie hatte sie abgebaut, indem sie sich klargemacht hatte, daß er kaum von ihr erwartet hätte, sich völlig aus dem normalen Leben zurückzuziehen.
    »Du warst mit Frauen zusammen?«
    »Sehr oft.«
    »Ich auch.«
    Er hatte sie angesehen, schweigend und ruhig, eine ganze Weile. Dann hatte er genickt. »Ich wußte gleich, daß du dich aus der Masse hervorhebst. Eine Frau, die in Zeiten wie diesen allein reist, muß etwas Außergewöhnliches sein.«
    In Zeiten wie diesen ...
    Wehmut befiel Elisabeth. Heimweh nach der Zukunft, mochte sie noch so ungewiß sein.
    Ihr mörderischer Rückfall in alte, schlechte Gewohnheiten, zu dem sie sich in Francesco Pescaras Haus hatte hinreißen lassen - dieses Gefühl, sämtliche Dämme in sich brechen zu spüren und einem Menschen schlagartig sein ganzes Leben stehlen zu müssen - schreckte Elisabeth nicht mehr. Alles kam, wie es hatte kommen müssen. Zuviel in ihr war zu Bruch gegangen.
    Während das Schiff die Wellen teilte und auf die Anlagestelle zuglitt, beschäftigte sie sich in Gedanken weiter mit sich selbst.
    Sie war nicht mehr der Mensch, der sie vor ihrem Tod im Zeitkorridor gewesen war.
    »Was ist?« fragte Karim, der ihr Grausen bemerkte.
    »Nichts«, sagte sie. »Es ist nichts.« Sie sah ihren Begleiter an, den sie in Alexandria kennengelernt hatte, und fragte in fast
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