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Die Reise ins Licht

Die Reise ins Licht

Titel: Die Reise ins Licht
Autoren: Andrej Djakow
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geschäftige Tun an der Bordwand. Seine Augen leuchteten. »Heute hatten wir eine erfolgreiche Jagd! Der Mensch ist eben der Herr der Welt! Er ist dazu bestimmt, alles zu zerkleinern, zu zermahlen, zu konsumieren … Darin kann ihm niemand das Wasser reichen!«
    Gleb blickte sein Gegenüber von der Seite an: »Und wenn doch?«

    »Was? Wer denn?« Roine winkte ab. »Blödsinn. Dies ist unsere Welt. Und wenn irgendeine Kreatur das noch nicht verstanden hat – unsere Waffen sind sehr überzeugend. Das Recht des Stärkeren, Junge, und basta.«
    Der Stalker seufzte. »Wir haben das Recht des Stärkeren schon einmal genutzt. Vielleicht sollten wir den gleichen Fehler nicht noch einmal machen.«
    Der Finne wollte ihm widersprechen, doch da wurde er zu irgendwelchen dringenden Angelegenheiten gerufen. Der Bärtige winkte zum Abschied und ging fort.
    »Angeber … Ich würde ihn gern mal sehen neben dem Puppenspieler. Mann gegen Mann.« Der Junge zog die Schultern hoch. Ihn fröstelte. »Die haben doch einfach nur Glück gehabt, die Katastrophe unversehrt zu überstehen und ein Fleckchen unberührter Erde zu finden. Ein bisschen wenig, finde ich, um sich ›Herren der Welt‹ zu nennen …«
    »Nimm es ihnen nicht übel. Es ist eben eine Eigenschaft des Menschen, sich für stark zu halten. Genau darin liegt seine Schwäche.«
    Taran und Gleb betraten das Oberdeck, wo sie sich an der Bordwand ein Plätzchen suchten. Die »Babylon« durchschnitt majestätisch die Wasseroberfläche und hielt Kurs auf die Insel. Am Horizont kamen bereits die unregelmäßigen Konturen des fernen Landes zum Vorschein. Der Junge blickte mit stockendem Herzen nach vorn. Dorthin, wo sich in die endlosen Weiten des Meers ein kleines Fleckchen Erde eingeschlichen hatte, das den Menschen Erlösung und Hoffnung schenkte, Speise und Obdach, ein neues Leben und den Glauben an die Zukunft.

    Je mehr sich die »Babylon« Moschtschny näherte, umso deutlicher waren die Reihen von zwei- und dreigeschossigen Häusern zu erkennen, deren Fenster ein gemütliches Licht verströmten. Es würde großartig sein, zu zweit über die Insel zu spazieren, wie er es sich in seinen Träumen vorgestellt hatte. Doch an dieser Stelle waren seine Fantasien jedes Mal aus irgendeinem Grund abgerissen. Darüber, was weiter sein würde, hatte sich Gleb keine Gedanken gemacht.
     
     
    Das Rauschen der Brandung liebkoste seine Ohren. Eine Welle nach der anderen rollte ohne Hast auf das abschüssige Ufer, das mit Kieselsteinen bedeckt war, und strömte ebenso würdevoll wieder zurück, eine Schleppe von dichtem, schneeweißem Schaum hinter sich zurücklassend.
    Am Brandungsstreifen saßen zwei einsame, schweigende Gestalten. Der Himmel färbte sich rosig in Erwartung der baldigen Morgendämmerung. Der Morgenwind bewegte leicht die Luftmassen über der riesigen Wasserfläche. Gleb war vollkommen verzaubert von diesem prachtvollen Anblick. Seit einigen Tagen gingen er und Taran jedes Mal frühmorgens ans Ufer, um den Sonnenaufgang nicht zu versäumen.
    Die Woche ihres Aufenthalts auf der Insel war unmerklich verflogen. Alles hier war so seltsam anders: das Lachen der überall herumeilenden Kinder, die sauberen, gemütlichen Höfe, die Straßen mit dem Kopfsteinpflaster, die Blumenrabatten, die zahlreichen Imbissstuben mit den verlockenden Essensgerüchen, die abendlichen Spaziergänge auf
dem Hauptplatz, der anheimelnd beleuchtet und hübsch hergerichtet war …
    Der Junge seufzte. Taran und er hatten bei ihren Wanderungen über die Insel zu zweit einige wunderbare, glückliche Tage verbracht. Nun jedoch, nachdem sich seine Euphorie gelegt hatte, wurde Gleb plötzlich bewusst, dass er sich nach seiner Moskowskaja sehnte.
    »Pa, ich werde doch bei dir wohnen, wenn wir wieder in Piter sind, oder?«
    Der Stalker lächelte kaum merklich und blickte in die Ferne. »Und was ist mit dem Gelobten Land? Du hast doch davon geträumt, es zu finden?«
    »Ich habe es ja gefunden. Aber auf dieser Insel rumzusitzen … ist langweilig! Das sagst du doch selbst immer: Das Schlimmste ist, nichts zu tun.« Gleb griff in die Tasche seiner Windjacke und zog den Aufkleber mit der Abbildung des fernen Wladiwostok hervor. Er kniff die Augen zusammen und verglich das Bild mit dem Panorama der Insel. »Außerdem … Es muss doch noch andere, unverseuchte Gegenden geben, wohin die Kranken aus der Metro gebracht werden können. Oder die Alten.«
    Der Stalker ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Es war traurig,
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