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Die reinen Herzens sind

Die reinen Herzens sind

Titel: Die reinen Herzens sind
Autoren: Faye Kellerman
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…«
    Decker starrte in sein leeres Glas. »Was raten Sie mir?«
    Georgina dachte nach. »Sagen Sie ihnen die Wahrheit.
    Ganz ruhig und undramatisch. Sagen Sie ihnen, daß der Arzt noch bei Rina ist. Als Vorsichtsmaßnahme. Weil sie Probleme mit der Nachgeburt hat.« Sie tätschelte seine Hand. »Sie regen sich ganz unnütz auf, Sergeant.«
    »Was passiert, wenn die Plazenta nicht von alleine kommt?« wollte Decker wissen.
    Georgina runzelte die Stirn. »Sie sind hartnäckig.«
    Decker zuckte hilflos mit den Schultern.
    Georgina seufzte. »Ich darf Ihnen das gar nicht sagen, weil ich die besondere Situation bei Ihrer Frau nicht kenne …«
    »Aber?«
    »Aber manchmal hängt die Plazenta an der Gebärmutterwand fest. Um sie heraus zu bekommen, muß ein Kaiserschnitt gemacht werden. Ist vermutlich der Grund, weshalb Dr. Hendricks nach dem Narkosearzt gefragt hat.«
    »Oh!« Decker entspannte sich etwas. »Ein Kaiserschnitt ist so was wie Routine, oder?«
    Georgina zögerte. »Ich dürfte Ihnen gar nichts sagen. Tun wir so, als hätten wir diese Unterhaltung nie geführt, ja?«
    »Gut!« Decker atmete aus. »Danke. Es hilft wirklich.« Er fuhr sich mit der Hand durch sein dichtes rotes Haar. »Könnten Sie vielleicht mal kurz nachsehen und …«
    »Nein, Sergeant. Keine Chance.«
    Decker stand langsam auf. »Ich bin okay.«
    »Wirklich?«
    Decker nickte.
    »Jetzt gehen Sie zu Ihrer Familie. Und lächeln Sie«, mahnte Georgina. »Ihre Frau ist in guten Händen. Erzählen Sie der Familie von Ihrer entzückenden kleinen Tochter.«
    Seine neugeborene kleine Tochter. Decker hatte sie völlig vergessen.

2
    Sechs strahlende Augenpaare sahen ihm entgegen. Selbst quer durch den Warteraum im dritten Stock spürte Decker ihre erwartungsvolle Erregung. Der Anblick schnürte ihm die Kehle zu. Aber das war typisch für ihn. Er machte sich wieder mal unnötig Sorgen. Er mußte jetzt an die Jungen denken. Ganz zu schweigen von Rinas Eltern, die schon einmal, fünfzig Jahre früher, durch die Hölle gegangen waren. Kein Grund, alle wegen eines kleinen medizinischen Problems in Panik zu versetzen.
    Er holte tief Luft, trocknete die Handflächen an der blauen Chirurgenhose, setzte ein Lächeln auf und dachte an seine neugeborene Tochter, damit es einigermaßen echt wirkte. So schritt er durch den Warteraum, zwischen Couches, Sesseln und niedrigen Tischen voller Styroporbecher hindurch. Nur ein paar einsame Seelen waren noch da, die lesend und mit verzweifelten Blicken zur Uhr ähnlich seiner Familie auf eine Nachricht warteten. Schließlich hatte Decker seinen Anhang erreicht.
    »Na und?« fragte seine Schwiegermutter.
    Sie sprach mit hartem Akzent. Die Elias’ waren gebürtige Ungarn und ein ungleiches Paar. Stefan war groß und kräftig, Magda war klein und zierlich. Ihre Kleidung und ihr Akzent erinnerten ihn an eine dunkelhaarige Zsa Zsa Gabor.
    »Wir haben ein gesundes kleines Mädchen!« verkündete er.
    »Oh, Akiva, Maseltow!« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuß auf die Backe. »Jungs, ihr habt eine neue kleine Schwester!«
    Für einen Augenblick schwebte Decker auf einer Wolke, vergaß er sich in Umarmungen und guten Wünschen. Sammy schüttelte ihm die Hand und sagte, eine Schwester sei nicht ganz das Bar-Mizwa-Geschenk, das er sich vorgestellt habe. Jake trompetete wie ein Kranich. Cindy gab ihm einen Klaps auf den Rücken und behauptete: »Bravo! Gut gemacht!«
    Nur Marge hielt sich zurück. Als er ihren Blick auffing, zwinkerte sie ihm lächelnd zu, doch Decker spürte ihre Skepsis. Sie wußte Bescheid. So wie es sich bei Partnern gehörte. Hastig hielt er einen Finger hoch. Das war das Zeichen, vor den anderen nichts zu sagen. Sie hatte sofort verstanden.
    »Und wie geht es meiner kleinen Ginny?« fragte Stefan. »Wann können wir sie sehen?«
    Seine kleine Ginny, dachte Decker. Die Elias’ nannten Rina mit ihrem englischen Namen, Regina. Ginny war die Koseform.
    Seine kleine Ginny. Seine kleine Tochter.
    Ruhig Blut, Deck.
    »Akiva?« fragte Magda. »Ist doch alles in Ordnung, ja?«
    Decker biß sich auf die Lippe. Verdammt, er konnte die Angst kaum überspielen.
    »Nur ein kleines Problem, Magda. Der Arzt ist noch bei ihr.«
    Magda drückte eine Hand auf die Brust und sprudelte eine Kanonade jiddisch-ungarischer Sätze hervor, die in seinen Ohren wie Fragen klangen.
    »Magda, ich verstehe kein Ungarisch«, sagte Decker.
    »Was soll das heißen, ein ›Problem‹?« fragte Stefan.
    »Sie hat ein
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