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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes
Autoren: Michel Folco
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recht unzufrieden wirkte. Er hatte gerade erfahren, daß keines der Pferde, auf die er gesetzt hatte, gewonnen hatte. Diesmal drehte Saturnin die Kurbel, um den Motor wieder anzuwerfen.
    Nach dem Abendessen wünschte Saturnin seinen Gastgebern eine gute Nacht und ging hinauf in sein Zimmer.
    Ehe er schlafenging, setzte er sich an den Tisch, um einen Brief an seinen Großvater, Casimir, Griffu und Brise-Tout zu schreiben:
     
    Ihr Lieben,
     
    Ich bin gut in Paris angekommen, und Monsieur Deibler hat mich abgeholt. Er hat ein Automobil, das dreißig Stundenkilometer fährt, und ein kleines Haus. Der Boden in seinem Garten ist nicht gut, und mein Zimmer ist nicht schön. Außerdem ist es nicht geheizt, und es gibt nicht einmal einen Kamin. Ich habe ihre »Mechanische« gesehen. Sie ist in schlechtem Zustand, und sie lassen sie immer aufgebaut in einem feuchten Schuppen stehen, was auf die Dauer dem Holz nicht guttut. Die Knechte wissen nicht, daß man nach dem Gebrauch die Halsmulde und die Eisen losschrauben muß. Es sind drei und man nennt sie hier »Gehilfen«. Auch ihre »Mechanische« nennen sie hier »Maschine« oder aber »Strafholz«.
    Madame Deibler kocht sehr schlecht. Selbst Casimir kann bessere Omelettes machen. Bei ihm sind wenigstens keine Eierschalen drin.
    Monsieur Deibler hat mich mit in den Zirkus genommen, und ich habe eine Schlange gesehen, die so dick war wie der Stamm des Kirschbaums. Sie hat einen Zwerg von der Größe eines Richtblocks verschluckt und wieder ausgespien. Ich habe ganz genau hingesehen, es war kein Trick dabei. Ich bin getadelt worden, weil ich beim Essen über Hinrichtungen gesprochen habe. Das tut man hier nicht. Wenn man darüber sprechen will, muß man sich absondern, ganz so, als wenn man seine Notdurft verrichten will.
    Monsieur Deibler weiß nicht, wann die nächste Hinrichtung stattfinden wird. Er sagt, daß man ihn am Vortag verständigt, wenn sie in Paris stattfindet und zwei Tage vorher, wenn sie in der Provinz stattfindet. Ihr fehlt mir, und ich wäre jetzt gerne bei Euch am Feuer, ich würde geröstete Maronen essen und zuhören, wie Casimir über sein Rheuma klagt. Ich erinnere Euch daran, daß Brise-Tout nicht in die Nähe des Tümpels darf, denn dort bekommt er jedesmal Zecken.
    Gut, ich höre jetzt auf, denn ich bin müde. Gute Nacht!
    Euer Satumin, der Euch liebt.
     
    Er legte sich in das fremde Bett, dessen Knarren ihm nicht vertraut war und dessen harte Laken nach billiger Seife rochen.
     
     
    8
     
    Das tägliche Leben im Hause der Deiblers wurde von einer ganzen Reihe von Gewohnheiten geregelt, die nur ein Bote des Ministeriums durcheinanderbringen konnte.
    Wie jeden Morgen beendete Anatole sein Frühstück mit der ersten Zigarette des Tages, die er genußvoll in seinem Arbeitszimmer rauchte. Dabei las er seine Zeitung, den Paris-Jour, den das Dienstmädchen morgens zusammen mit den Croissants brachte. Er studierte gerade die Aufstellung der Pferde für das Nachmittagsrennen, als die Glocke an der Pforte erklang. Ohne den Kopf zu heben, hörte er die Schritte seiner Frau auf dem Kiesweg, die gleich darauf wieder zurückkamen. Es klopfte leise an seiner Tür.
    » Entschuldige, wenn ich dich störe, mein Lieber, aber das ist gerade vom Ministerium gekommen.«
     
    Anatole nahm den rosafarbenen Umschlag und dachte dabei an Saturnin, der nun endlich seine Impfung bekommen würde und nun zeigen könnte, wie gut er in der Praxis war. Er brach das Siegel auf und hoffte, daß es sich nicht um eine Hinrichtung in der Provinz handelte, die eine wesentlich aufwendigere Vorbereitung erforderlich machte als eine Hinrichtung am Boulevard Arago.
    »Ah, verdammt«, fluchte er und schob seine Zeitung beiseite. Er hatte plötzlich keine Lust mehr zu lesen.
    »Was ist los? Du bist ja ganz rot«, beunruhigte sich Rosalie, als er aus seinem Arbeitszimmer kam.
    »Wo ist Saturnin?«
    »Er bringt Marcelle zur Schule.«
    Sie fragte nicht weiter nach, denn sie spürte, daß seine
     
    Sorgen mit dem Brief vom Ministerium zu tun hatten. Das war eher selten. Zumeist war der Grund für solche sorgenvollen Falten auf seiner Sitrn der Darracq, der eine Panne hatte, oder aber er hatte beim Pferderennen verloren.
    »Ist es in der Provinz oder am Arago?«
    »Arago! «
    Schade, dachte sie. Sie hätte gern einige Tage ohne die Männer verbracht.
    Saturnin bückte sich, um Marcelle auf die Wangen zu küssen. Sie vertraute ihm ihre Schildkröte an, und er wartete, bis sie im Schulgebäude
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