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Die rechte Hand Gottes

Die rechte Hand Gottes

Titel: Die rechte Hand Gottes
Autoren: Michel Folco
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Recht.
    Später wurden dann auch Straßenräuber, Deserteure und allerlei Galgenvögel vorstellig, um in Bellerocaille Zuflucht zu suchen. Azémard bereitete ihnen den schönsten Empfang. Er tat sogar noch mehr: er gab ihnen Arbeit. Nachdem er sie mit Beilen und funkelnagelneuen Lanzen, die sein Schmied angefertigt hatte, bewaffnet hatte, setzte er sie als Läufer, Plünderer und Brandschatzer ein.
    Als die ersten Knospen trieben, überfiel Azémard seine erste Burg, das Lehen Racleterre, das an den Ritter Armogaste vergeben war. Er war ein Vasall des Bannerherrn von Roumégoux, seinem früheren Herrn. Er gab das Zeichen zum Sturm in dem Augenblick, als man die Tore öffnete, um den Lehnsherrn hinausreiten zu lassen. Dieser trug sein Jagdgewand und wurde von zwei Stallburschen und vier Hunden begleitet, die munter bellten. Das war der schönste Tag im Leben Azémard
    Ein Späher schlug Alarm, eine Frau schrie entsetzt auf. Man versuchte noch, schleunigst die schweren Torflügel wieder zu schließen, aber zu spät, der Ritter und seine Läufer waren bereits da und grölten lauthals: » Kühn voran, Bellerocaille! Töte! Töte!«
    Nachdem er jeglichen Widerstand niedergemacht und Armogaste gefangengenommen hatte, schickte der furchtlose Azémard seine Plünderer los, die systematisch alles durchkämmten und als erstes die Ölmühle und die Presse zerlegten. Nachdem sie sich alles an Brauchbarem geholt hatten, rief er seine Brandschatzer, die das Dorf und die Burg in Brand steckten. Sie fanden sichtlich Spaß daran und brachen in wildes Geschrei aus: » Es brennt! Es brennt! «
    Azémard scharte die Überlebenden um sich und bot ihnen an, nach Bellerocaille zu kommen. Alle willigten ein. Sie mochten ihren Lehnsherrn nicht, und einer von ihnen, ein Bauernknecht, der seinen Sohn und seinen Bruder in der Schlacht verloren hatte, spuckte Armogaste ins Gesicht, weil er es nicht vermocht hatte, sie zu beschützen.
    Später soll Azémard, der Legende zufolge, diesem Bauernknecht einen derartigen Hieb mit seinem Schwert versetzt haben, daß er von oben nach unten in zwei gleiche Hälften gespalten wurde. Ob das nun wahr ist oder nicht, Tatsache ist, daß der Mann auf der Stelle getötet wurde, weil er sich einem Adeligen gegenüber nicht gebührend verhalten hatte. Azémard war der festen Überzeugung, daß Gott selbst gewollt hatte, daß es Lehnsherren und Leibeigene gab. Und die Lehnsherren waren verpflichtet, Gott zu ehren und zu lieben, während die Leibeigenen dazu verpflichtet waren, ihren Lehnsherrn zu ehren und zu lieben.
    Armogaste bedankte sich dafür bei ihm und war ihm deshalb für alle Zeiten dankbar, auch dann noch, als er wieder bei seiner Familie war, die für seine Herausgabe ein horrendes Lösegeld hatte zahlen müssen. Die Mühle und die Presse wurden innerhalb der Mauern von Bellerocaille wieder aufgebaut. Wer sie benutzen wollte, mußte dafür zahlen, ausgenommen diejenigen, die an dem Überfall beteiligt gewesen waren, und deren Angehörige.
    Bald schon führte eine Brücke (gegen Gebühr) über den Dourdou und ersetzte die Fähre. Das gegenüberliegende Ufer wurde gerodet; dort entstand eine Töpferei, ein paar Monate später kam noch eine Gerberei dazu.
    Als Bellerocaille mehr als zweihundert Seelen zählte, wurde es Kirchspiel und bekam einen vom Grafen bestellten Priester, der sich daranmachte, eine Kirche aus Stein in der Mitte des Dorfes zu errichten und später für ihren Unterhalt von jeder Ernte einen Zehnten verlangte. Seine Unannehmlichkeiten begannen, als er gleichermaßen den Ernteanteil des Lehnsherrn besteuern wollte. Diese Forderung empörte Azémard derart, daß er sich rundheraus weigerte. Er hätte nichts weiter unternommen, wenn der Priester nicht auf die dumme Idee gekommen wäre, sich beim Grafen zu beschweren.
    Azémard erfuhr davon, als er gerade den prächtigen Harnisch anprobierte, den er sich von einem Teil des Lösegeldes geleistet hatte.
    Er stürmte in die Kirche, als gerade eine Messe gehalten wurde, packte den komischen Kauz an den Haaren und schleifte ihn unsanft zum Fluß hinunter. Dort tauchte er seinen Kopf so lange unter Wasser, bis der Priester fast erstickt wäre. Dann zerrte Azémard ihn - wobei er ihn noch immer an den Haaren hielt - in den Schweinestall, wo er ihn im Dreck herumkriechen ließ, bevor er den Treueeid von ihm verlangte. Als der Priester das getan hatte, brachte Azémard ihn vor die Kirche und befahl ihm, nur mit seinen Händen ein Loch zu graben.
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