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Die Ratten

Die Ratten

Titel: Die Ratten
Autoren: James Herbert
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sich nicht ganz sicher, ob er den Namen richtig zwischen dem Schluchzen verstand. Er klang wie Mary Kelly.
    Father Mahar war wie betäubt. Es war Samstagabend, die Beichtstunde war vorüber, und er saß nun allein in der Sakristei. Mary Kelly war zu ihrer wöchentlichen Beichte gekommen, und als sie mit ihrer üblichen kurzen Aufzählung von läßlichen Sünden fertig gewesen war, hatte er sie nach Tom Malone befragt. Mary versuchte nicht einmal zu leugnen, sondern sprach ziemlich offen über ihre Affäre mit Tom, und als er sie fragte, warum sie die Sache nicht schon früher gebeichtet hatte, fragte sie ihn, warum sie dies hätte tun sollen. Daran war doch nichts Schlimmes, oder?
    Der Priester glaubte, seine Ohren nicht trauen zu können. Das arme Kind wußte wirklich nicht, daß es gesündigt hatte, und war davon überzeugt, unschuldig zu sein. Und als er Mary dann weiter befragte, begann er an ihrer geistigen Gesundheit zu zweifeln.
    Sie erzählte ihm von all ihren anderen Liebschaften und erklärte ihm, weshalb sie so regelmäßig in die Kirche ging und warum sie so inbrünstig betete.
    Alles, als wäre es die natürlichste Sache der Welt! Und als sie ihn fragte, ob es ihm möglich sei, eine besondere Messe zu lesen, damit sie diese wundervollen Orgasmen bekomme, von denen sie gehört hatte, war er zu schockiert, um irgendeine Antwort geben zu können.
    Er brauchte Zeit zum Nachdenken, und so forderte er sie auf zu gehen, aber am nächsten Morgen vor dem Gottesdienst wiederzukommen. Was konnte er tun? Sie brauchte offenbar medizinische Hilfe ebenso wie geistliche, aber wie konnte ein Arzt ein Mädchen heilen, das so völlig amoralisch war, und wie konnte ein Priester ein Mädchen heilen, das nicht den Unterschied zwischen richtig und falsch verstand?
    Er betete den größten Teil dieser Nacht, betete um eine Eingebung, wie er diese junge Unschuld von ihrem buchstäblich seelenzerstörenden Schicksal retten konnte. Am nächsten Morgen versuchte er geduldig, ihr zu erklären, warum die Dinge, die sie tat und für die sie betete, falsch waren. Nicht falsch, wenn sie einen Mann fand, den sie lieben und vielleicht heiraten konnte, mit dem sie schlafen konnte, um eine heilige Vereinigung zu erlangen und Kinder zu bekommen, aber falsch, wenn sie ihren kostbaren Körper jedem Mann schenkte, der ihn wollte, nur um seine Begierde in ihr zu befriedigen und so den Heiligen Geist zerstörte, der in ihr wohnte. Gott liebte sie und wollte, daß sie glücklich war, aber sie mußte sein wunderschönes Geschenk achten und nur für die Ehe aufbewahren.
    Mary lachte, nicht aus Trotz oder Hohn, sondern weil sie den Priester wirklich für albern hielt. Ihr Verstand weigerte sich zu akzeptieren, daß Sex in irgendeiner Art falsch sein könnte. Während sie einst jedes seiner Worte mit Ehrfurcht angehört hatte, behandelte sie ihn jetzt wie ein Kind, das nicht ernst meinen konnte, was es sagte.
    Er bemühte sich weiter, erklärte ihr, welche Krankheiten sie sich zuziehen konnte, sprach von den Familien, die sie zerstörte, hielt ihr vor Augen, daß es nur zu Unglück für sie selbst führen konnte - doch es war hoffnungslos. Es war nicht, als spreche er zu einer anderen Person, denn sie war immer noch das süße, reine, junge Mädchen, als das er sie kennengelernt hatte - es war, als hätte sich in einer Abteilung ihres Gehirns eine Tür geschlossen und ließe kein Argument mehr herein.
    Schließlich schlug er ihr vor, mit ihm zusammen einen Arzt aufzusuchen, einen guten Freund von ihm, der mit ihr reden würde, und gemeinsam würden sie ihr wieder auf den rechten Weg zurück helfen. Mary stimmte zu, obwohl sie es für einen albernen Einfall hielt, doch wenn es ihn freue, würde sie mitkommen. Es wurde ein Termin für den folgenden Mittwoch vereinbart, doch Father Mahar sah Mary Kelly niemals wieder.
    Mary zog in ein anderes Viertel von Dublin und arbeitete wieder als Barmädchen. Ihr Leben verlief nach dem gleichen Schema wie zuvor. Sie fand eine neue Kirche, die sie besuchte, doch diesmal war sie vorsichtiger und achtete darauf, nicht zu vertraut mit dem Priester zu werden.
    Und dann lernte sie endlich den Mann kennen, der ihre Bedürfnisse erfüllen konnte, und überraschenderweise begegnete sie ihm zum ersten Mal in der Kirche. Timothy Patrick war in jeder Hinsicht ein gewaltiger Mann. Er hatte das rötlichblonde Haar eines Iren, riesige Hände und abstehende Ohren. Sein Hunger, nicht nur aufs Essen, sondern auch auf das Leben, war
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