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Die Ratten im Maeuseberg

Die Ratten im Maeuseberg

Titel: Die Ratten im Maeuseberg
Autoren: Léo Malet
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Wild entschlossen würde sie so lange wie
möglich dem Tod widerstehen, um ihre Rache noch ein wenig auszukosten.
Schutzpatron der Gangster, mach, daß sie lebt! Lange genug jedenfalls, um mich
durch ihre Zeugenaussage aus der Scheiße zu ziehen, in die ich mich
hineingeritten hatte!
    Ich hatte nämlich keine
übermäßig große Hoffnung, den Mörder lebend zu erwischen.
    Er schlug die schwere Eisentür
hinter sich zu. Behutsam legte ich das Mädchen auf den Boden und machte mich an
die Verfolgung. Er rannte durch den dunklen Gang. Ich hörte das typische
Spucken eines Revolvers, der nichts mehr zu spucken hat. Und dann hörte ich ein
lautes Platschen. Ich beugte mich über das Geländer. Genau das hatte ich mir
gedacht! Jetzt mußte erst mal das Trinkwasser aus diesem Bassin für den
Verbrauch gesperrt und das Bassin desinfiziert werden.
    Langsam ging ich zurück. Mein
Fuß stieß gegen einen schweren Gegenstand. Ich hob ihn mechanisch auf. Eine
saubere Sache hatte mir dieser Blödmann Ferrand eingebrockt. Mehrere Millionen!
    Draußen auf dem Hof traf mich
die blendende Sonne wie ein Keulenschlag. Schwankend ging ich auf die Flics zu.
Der Wärter mußte wohl wieder zu sich gekommen sein und sie alarmiert haben. Sie
kamen gerade richtig, um mich einzukassieren. Ohne sie genau zu sehen, ging ich
auf sie zu, die Hände so hoch wie möglich erhoben. Mein Schatten auf dem
Kiesweg war riesig. Ich ließ den schweren Gegenstand auf den Boden fallen:
meinen Revolver.
    Eine saubere Sache! Hatte mir
nichts als Arger eingebracht. Und jetzt standen die Flics vor mir. Der Arger war noch nicht zu Ende!
     
     
    Paris, 1955

Nachgang
     
    Ein richtiger Zöllner, so wie
die Leute sich einen Zöllner vorstellen, war er nie. Ein kleiner Steuerbeamter
eher, der mehr schlecht als recht über die Runden kam. Ein paar
Nachhilfestunden auf Violine und Mandoline für die Nachbarskinder sowie etwas
Unterricht im Zeichnen waren nicht mehr als karges Zubrot. Seine eigenwilligen
Bilder fanden zunächst kaum Liebhaber. Ein paar Dutzend Francs waren das
Höchste, was er für seine lange Zeit belächelten Werke einlöste. Heute wären
selbst gutbetuchte Interessenten froh, eines seiner Bilder, zu welchem Preis
auch immer, auf dem freien Markt erwerben zu können. Aber Henri Rousseau, der
zunächst verkannte Meister der Naiven, ist längst unverkäuflich. Reich an
Freunden, wie Picasso oder Apollinaire, aber arm an materiellem Besitz, starb
er als Hungerleider.
    Dennoch war er wohl der
einzige, dem es postum vergönnt blieb, daß vorübergehend gleich zwei Straßen
nach ihm benannt waren. Und das kam so: Eine kleine Sackgasse am Parc
Montsouris, dem Mäuseberg, wie er seltsamerweise heißt, war lange von Malern
bewohnt, wie Fujita, Derain und Braque, die diesen Weg auf Rousseau, den
Zöllner, den Douanier, tauften. Ein Name, den die Stadtverwaltung 1927
akzeptierte. 22 Jahre später gaben andere (?) Beamte einer unweit gelegenen
Straße abermals den Namen des Zöllners Rousseau, so daß es alsbald zu
Mißverständnissen kam, die schließlich aus der von Braque favorisierten Rue
Douanier eine Rue Braque machten.
    Eine andere Version will
wissen, die Straße sei nach einem unbekannten Zöllner benannt worden, der sich
dort ein Haus gebaut habe.
    Der Zöllner Rousseau jedenfalls
hat mich jahrelang begleitet. Kaum ein Taxifahrer hat die Straße gekannt, in
der ich wohnte. Ungläubig und unwillig haben sie in ihrem zerfled-derten
Stadtplan geblättert.
    „Ja, doch, es gibt sie. Keine
fünfzig Meter lang ist sie, ein Haus auf jeder Seite. Heute jedenfalls. 1955,
als Malet seinen Burma ins 14. Arrondissement schickte, sah es noch anders aus.
    „ Ich
sah ihn in Richtung Rue du Père-Corentin rennen, am Zaun eines unbebauten
Geländes entlang.“
    Das Haus, in dem der Zeichner
und Graveur Raymond Hillas wohnte, steht noch. Im Parterre wartete lange eine
Crêperie vergeblich auf Kundschaft, jetzt wird dort Zwiebelkuchen und
dergleichen serviert.
    Ein paar Schritte entfernt nur
liegen die Réservoirs de la Vanne, der Wasserspeicher von Montsouris, der
größte der Welt, als er 1874 gebaut wurde. Zweihunderttausend Kubikmeter Wasser
faßt der Speicher. 23 5 Meter lang und 136 Meter breit, wirkt er wie eine
grasbewachsene Festung. Wer ihn besuchen will, muß sich vorher schriftlich
anmelden. Vielleicht deshalb, weil man mit manchen Besuchern unliebsame
Überraschungen erlebt hat, wie bei Malet nachzulesen ist.

     
     
    Weniger verschlossen als die
Wasserburg
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