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Die Ratten im Maeuseberg

Die Ratten im Maeuseberg

Titel: Die Ratten im Maeuseberg
Autoren: Léo Malet
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die Anweisungen und begleicht eine persönliche Rechnung.
Ergebnis: kein Ferrand mehr.“
    Henriette stand oben an der
Tür. Schweigend hörte sie meinem Bericht zu, wie ein braves kleines Mädchen. Plötzlich
wurde sie von einer Art Schluckauf geschüttelt. Darauf folgte wieder ihr
Lachen, das mir von eben noch schaurig in den Ohren klang.
    „Hör sie dir an, Richter“, rief
ich. „Als sie von dem Mord erfuhr, hat sie bestimmt nicht so gelacht. Obwohl
sie durchaus Lust dazu hatte. Das holt sie jetzt ausgiebig nach...“ Auch
Gaudebert erschauerte. Ich fuhr fort:
    „...‘ne verdammte Scheiße, der
Tot des Tätowierten! Vor allem, weil in der Nacht eine Rothaarige in dem
Abbruchhaus war. Die hatte nichts Besseres zu tun, als über die Leiche zu
stolpern. Das konnte gefährlich werden. Jetzt war Blut geflossen... aus
Ferrands Kehle. Es gab kein Zurück mehr. Für so was existiert kein
blutstillendes Mittel. Aber Nemesis ist nicht so ganz glücklich über den Lauf
der Dinge. Du steckst zwar in der Scheiße, Richter, aber nicht so sehr, wie sie
sich’s vorgestellt hat. Nicht du hast Ferrand getötet. Und du wirst auch nicht
Marie Courtenay töten. Nemesis muß dich unbedingt dazu bringen, dir selbst die
Hände schmutzig zu machen. Müßte schon mit dem Teufel zugehen, wenn sich dazu
nicht früher oder später die Gelegenheit böte. Und sie wird sich bieten! Ich
mach mich auf die Jagd nach den verschwundenen Perlen. Zerbrech mir den Kopf,
um das Versteck zu finden. Finde auch eins — das einzige wahrscheinlich, das
jemals existiert hat! — , aber leer. Während ich mir
den Kopf so zerbreche, ahne ich diese schreckliche Geschichte von Haß und
Rache. Um Klarheit zu schaffen, nehme ich mit euch beiden wieder Kontakt auf
und stelle euch diese Falle hier. Dein Verhalten wird mir schon zeigen, ob ich
auf dem Holzweg bin oder nicht. Ich erfinde die Geschichte mit den Forellen.
Henriette weiß zwar, daß die Perlen nicht im Aquarium sind; aber sie weiß
nicht, daß die Forellengeschichte auf meinem Mist gewachsen ist. Sie meint, ich
wolle den Speicher hier ohne Hintergedanken besichtigen. Das ist die Gelegenheit, Gaudebert zu einem blutigen Verbrechen zu treiben! Sie sagt dir,
daß dieser verflixte Burma gefährlich wird; daß er
sich seit einiger Zeit zu intensiv um euch kümmert; daß man ihn loswerden
muß... und daß du das am besten hier drinnen erledigst. Während sie den Wärter
beschäftigt, schmeißt du den Privatflic ins stille tiefe kühle Wasser. Nach dem
üppigen Mahl in eurem gastfreundlichen Haus wird der Kerl wohl dabei
draufgehen. Nur hab ich diesen Speicher ausgesucht, eben weil er sich
für solche Schweinereien bestens eignet. Wollte sehen, ob du die Gelegenheit
wahrnimmst... Und du hast sie wahrgenommen! Ich sollte dabei draufgehen, aber
du wärst auf jeden Fall auch draufgegangen. Sie hätte dich sofort bei den Flics
angeschissen. Und der Wärter hätte bestätigt, daß es ein vorsätzlicher Mord
war. Du hast doch gehört, was er gesagt hat, oder? ,Der Ort scheint Ihnen zu gefallen, Monsieur.’ Für mich liegt der Fall klar. Meine
Damen und Herren Geschworenen, dieser Mann ist schuldig...“
    „Hure!“ heulte Gaudebert.
    Ich beendete mein
Schlußplädoyer und warf mich auf den Boden. Wollte für ihn keine Zielscheibe
sein. Er hatte die ganze Zeit nicht auf mich geschossen, und er würde auch
jetzt nicht schießen... hatte ich gedacht! Ein richtiger Richter! Wie hatte ich
ihn nur dazu animieren können, mich umzulegen? Der Revolver spukte blaue Bohnen, aber keine einzige fand den Weg zu dem Rohr,
hinter dem ich Deckung suchte. Vorsichtig riskierte ich einen Blick.
    Gaudebert stand auf der
Eisentreppe, mit dem Rücken zu mir. Sein rechter Arm hing wie leblos herunter,
in der Hand meine Kanone. Oben vor der Eisentür stand Henriette. Sie
umklammerte mit beiden Händen das Geländer, schwankte hin und her. Mir war zum
Kotzen zumute. Gaudebert hatte wohl das ganze Magazin leergeschossen.
    Ich stürzte aus meiner Deckung
hervor. Bei dem Geräusch drehte er sich um. Wie von der Tarantel gestochen,
sprang er die restlichen Stufen nach oben, schnappte sich Henriette und warf
sie die Treppe runter. Ich sah sie wie eine Puppe auf mich zukommen. Ihr
Gesicht war verzerrt, der Mund stand offen. Ich sah ihre schönen weißen
Zähne... und ihre Augen. Noch immer leuchteten sie, brannten vor Haß, der jetzt
endlich befriedigt war. Die Frau einer Ratte, eines gemeingefährlichen
Gangsters, eines harten Burschen.
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