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Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie

Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie

Titel: Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie
Autoren: dtv
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Sterlingsilber. Niemand prägt Falschmünzen aus echtem Silber. Sie hat sogar eine Punze. Fälschungssicher. Ich will wissen, wie du hierhergekommen bist, Oscar Ogilvie, und woher du diese Zehncentmünze hast.«
    »Versprichst du, nicht zu unterbrechen und Witze zu machen, Dad?«, warf Claire ein.
    »Großes Pfadfinderehrenwort, mein Schatz«, sagte ihr Vater und er kreuzte seine tweedverhüllten Beine und sah mich über seine gefalteten Hände hinweg mit runden Augen an.
    Ich begann mit der Modelleisenbahn in unserem Keller in der Lucifer Street. Von da ging es weiter zu dem Zeitungsbericht in der Morgenpost über den Zusammenbruch und die reichen Männer, dieaus den Fenstern gesprungen waren und auf der Straße Äpfel verkauft hatten. Dann wie Dad seine Arbeit verloren und die Bank von Mr Pettishanks uns unser Haus weggenommen hatte. Ich erzählte von den Besuchen von Mr Applegate und über Tante Carmen. Schließlich erzählte ich von dem Banküberfall, von Stackpole und McGee und wie ich zum ersten Mal auf den Zug gesprungen war und dort Dutch kennengelernt hatte. Mr Bister saugte jedes meiner Worte auf wie Löschpapier. Ein ums andere Mal nickte er mit dem Kopf.
    Ich beschrieb die Crawford’sche Anlage. Und dann passierte es.
    Ich hatte Miss Chows Namen vergessen. Die Tatsache erschreckte mich. Es bedeutete, dass das Vergessen begann. Es bedeutete, dass ich im Körper dieses kleinen Jungen, fünf Jahre zurück in der Vergangenheit, schon anfing, die Zukunft zu vergessen. Ich musste 1926 verlassen und in meine eigene Zeit und meinen eigenen elfjährigen Körper zurückkehren, sonst würden sogar Mr H. und Dutch nur noch Schall und Rauch sein. Dann würde ich von allem, was ich erlebt hatte, nichts mehr wissen.
    »Miss Chow«, warf Claire ein. «Du hast gesagt, ihr Name war Miss Chow.«
    »Natürlich«, stammelte ich und fuhr ruhig fort, Mr H. und sein Dackelgesicht zu beschreiben und »Hizzy« Hissbaum und wie Offizier Cyril Pettishanks mich in den Krieg schicken wollte, um mit den Russen gegen die Krauts zu kämpfen. Hier unterbrach mich Mr Bister.
    »Krieg?«, fragte er. »Was für ein Krieg? Wann?«
    »Das weiß ich nicht genau«, antwortete ich. »Ich kam im Dezember 1941 an. Japan hatte Amerika soeben an einem Ort namens Pearl irgendwas angegriffen. Die ganze Welt war im Krieg.«
    Claire legte sanft einen Finger auf meine Hand, um mich zu stoppen. »Daddy«, sagte sie, »wie du siehst, muss Oscar unbedingt nach Hause. Er muss in sein richtiges Leben zurückkehren.«
    »Oscar, ich schlage dir einen Handel vor«, sagte Claires Vater.
    »Dad, du bist ein typischer Anwalt!«, sagte Claire.
    »Und du, mein Schatz?«, fragte er mit einem verschmitzten Lächeln. »Hast du nicht heute Nachmittag mit deiner Mutter und mir einen sehr gutenVertrag ausgehandelt? Und, wie ich hinzufügen darf, zu absolut unzulässigen Bedingungen!«
    Claire musste zugeben, dass das stimmte.
    Stolz schwang in der Stimme ihres Vaters. »Ich bin in der Tat ein berühmter Rechtsanwalt, mein liebes Kind. Im Übrigen ist Handeln gewissermaßen ein Sport in unserer Familie. Du handelst, Max handelt und ich handle. Handeln oder Verhandeln hält die Welt in Gang. Ich persönlich würde sogar mit Mussolini einen Vertrag schließen, um zu erfahren, was im Jahr 1929 mit unserem Familienvermögen und all unseren Ersparnissen geschehen wird. Ich will aus keinen hohen Fenstern springen. Deine Mutter würde sich maßlos darüber aufregen!« Er lachte über seinen eigenen Scherz.
    Mr Bisters Augen entging nichts. »Bei dem Wort Mussolini habe ich in deinem Gesicht einen Funken des Erkennens gesehen«, sagte er zu mir.
    Mussolini … Wer war Mussolini? Ich knetete mein Hirn von allen Seiten durch. »Er war im Krieg der Führer der Italiener«, sagte ich.
    »Oscar«, sagte Mr Bister ernst, »du berichtest meinen Freunden und Geschäftspartnern alles, was du über die Ereignisse im Jahr 1929 weißt, und ichschicke dich mit einem Erste-Klasse-Ticket für einen Zug deiner Wahl nach Hause. In wenigen Stunden fährt einer los. Abgemacht?«
    Ich schaute zu Claire. Sie schüttelte kaum merklich den Kopf, ohne die Augen von ihrem Vater abzuwenden. Fieberhaft überschlug ich die Möglichkeiten. Wenn ich in einem richtigen Zug nach Hause fuhr, wäre ich dazu verurteilt, alles, was ich getan hatte, noch einmal zu tun. Aber wenn ich ablehnte, wie sollte ich dann je wieder nach Hause kommen? Was für eine trostlose Wahl!
    »Warte einen Moment, Daddy«, sagte
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