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Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie

Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie

Titel: Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie
Autoren: dtv
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es dort je gab. Ich hab dem Architekten gesagt, wir brauchen in unserem Bungalow einen großen Keller.«
    »Sie wird besser sein als die Crawford’sche Anlage!«, sagte ich. »Größer und besser.« Aber da erst 1932 war, hatte Dad noch nie etwas von der Crawford’schen Anlage gehört, oder von Dutch, Mr H. oder von irgendwas, das in den nächsten zehn Jahren passieren würde. Er sah mich nur komisch an, als würde ich mir Dinge zusammenfantasieren, die es nicht gab und nie geben würde.
    Wir blieben so lange in Cairo, bis ich mein Versprechen einlösen konnte, das ich Tante Carmen gegeben hatte, nämlich am 4 . Juli einen Vortrag zu halten. Dann würde jeder in der Stadt wissen, was für eine miserable Deklamationslehrerin sie war.
    Ich konnte den Berühmten Reden berühmter Männer überhaupt nichts abgewinnen. Das Buch war viel zu dick und langweilig. Ich war entschlossen, ein Gedicht zu finden und zu Ehren von Mr Applegate aufzusagen, wo immer er sein mochte.
    Eines Tages entdeckte ich in der Bibliothek von Cairo auf dem obersten Regal der Lyrikabteilung einen schäbigen Buchrücken. Es war das Buch der Gedichte für besinnliche Stunden. Ich rollte eine Leiter zu dem Regal und holte das Buch herunter. Beim Durchblättern stellte ich zu meiner Überraschung fest, dass jemand etwas in das Buch hineingeschrieben hatte. Über dem Kipling-Gedicht standen ein paar Zeilen in roter Schrift. Ich kannte die Seite. Zuletzt hatte ich das Buch aufgeschlagen in den Händen von Mr Applegate gesehen. Er hatte es mir gezeigt, als wir auf Tante Carmens Veranda saßen. Damals war mit Sicherheit nichts auf der Seite notiert gewesen.
    Plötzlich atmete ich rascher. Ich erkannte die Handschrift, die regelmäßigen Blockbuchstaben, wie mit dem Lineal gezogen. Die Nachricht lautete:
    MR APPLEGATE! NEHMEN SIE NIE EINEN JOB IN EINER BANK AN. ARBEITEN SIE NIE FÜR EINEN MANN NAMENS PETTISHANKS ODER SIE WERDEN BEI EINEM RAUBÜBERFALL ERSCHOSSEN!
    Mein Puls raste, dass es in meinen Ohren sauste. Ich klappte den hinteren Buchdeckel auf. Ich zog die Ausleihkarte aus der Folie und fuhr mit dem Finger die Rückgabedaten entlang. Die Daten waren ordentlich eingetragen und abgestempelt, wie immer. September 1931 , Oktober 1931 . Dann kam ein Datum, das völlig aus der Reihe tanzte: 3 . Januar 1926 . Wie war das möglich?
    »Claire!«, rief ich in die staubige Stille der Bibliothek. » Claire . Du warst hier! Du hast Mr Applegate gerettet!«
    Bevor die Bibliothekarin nach hinten zu den Regalen kommen und ein Auge auf mich werfen konnte, kritzelte ich auf den unteren Rand derselben Seite: Bin auf dem Weg zur Red River Ranch, El Segundo, Kalifornien. Komm und besuch mich dort!
    Ich wusste, eines Tages würde Claire den Twentieth Century starten und seinen Schornstein mit Rauchkügelchen füllen. Sie würde nach Cairo kommenund genau wissen, wo sie das Buch der Gedichte für besinnliche Stunden finden würde.
    Ich schlenderte am Schreibtisch der Bibliothekarin vorbei nach draußen, nickte ihr kurz zu und sie nickte zurück. Ich war ja so ein guter Junge, der die Bibliothek aufsuchte, um sich auf diesen Vortrag zum 4 . Juli vorzubereiten. Ich würde nie zwischen den Regalen herumschreien oder in ein Bibliotheksbuch etwas hineinschreiben.
    Dad wartete unter einer der großen Ulmen vor der Bibliothek auf mich. Er hatte mich nie mehr allzu weit aus den Augen gelassen, seit ich das Krankenhaus verlassen hatte. Er stand auf und stieß einen Pfiff aus. Er war noch immer ein Mann mit vollem Haar, mit einem elastischen Gang und einer starken Hand auf meiner Schulter. Er grinste und ich grinste zurück und wir gingen in die Stadt in Mr Kinoshuras Getränkeladen und bestellten eine Limonade.
    Auf den Straßen von Cairo waren Jobs so rar wie Hühnerzähne. Die Leute waren schäbig gekleidet und aus ihren Augen sprach Angst wegen des Zusammenbruchs. Aber nach Aussage meines Dads kandidierte ein Mann namens Frank Roosevelt fürdas Präsidentenamt und versprach, die Dinge für die Menschen im Land zu verbessern. Wie gern wollte ich meinem Dad sagen, dass Mr Roosevelt die Wahl gewinnen würde. Er würde trotz seiner Kinderlähmung fest auf beiden Beinen stehen und auch das Land wieder auf die Beine bringen.
    Noch vorher würden Dad und ich nach Kalifornien, das Land der Überraschungen, aufbrechen. »Ich hab uns zwei Schlafwagenplätze im Golden State für die Nacht vom fünften Juli besorgt«, sagte Dad und kramte in seiner Tasche, um mir die Tickets zu zeigen.
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