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Die Rache. Thriller.

Die Rache. Thriller.

Titel: Die Rache. Thriller.
Autoren: John Katzenbach
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Elterntraum nachzuhängen, nämlich sich vorzustellen, was aus ihrem Kind später einmal werden könnte. Er wird erwachsen werden, dachte sie. Er wird etwas darstellen.
    Sie blickte sich im Zimmer um, sah das unordentlich gemachte Bett, das Spielzeug, die Bücher und all den seltsamen Kram, der auf Dauer das Zimmer jedes Jungen füllt, wertlose Dinge, die jedoch kleine Schätze darstellen.
    Sie versuchte vergeblich, etwas zu finden, das auf Tommys Probleme hinwies. Mach dich nicht selbst verrückt, ermahnte sie sich. Es gibt sie bestimmt, aber sie verschwinden langsam. Ein Arzt hatte ihr vor Jahren einmal empfohlen, Tommys Zimmer auszupolstern, falls er tobsüchtig werden sollte. Gott sei Dank haben wir nicht auf ihn gehört.
    Sie setzte sich auf Tommys Bett und nahm wahllos einen Spielsoldaten in die Hand. Tommy war immer mutig wie ein Soldat. All die Behandlungen, Spritzen, EEGs und psychomotorischen Tests, die er über sich ergehen lassen mußte. Er machte es Duncan und mir leicht. Wir litten nur, er war tapfer.
    Sie legte das Spielzeug hin.
    Wo ist er bloß?
    Verdammt!
    Sie stand abrupt auf und lief die Treppe hinunter zur Eingangstür. Sie stieß sie auf, trat hinaus in die kalte Nachtluft und wartete dort, bis sie begann, an Armen und Beinen zu frieren.
    Wo ist er?
    Sie ging ins Haus zurück und hielt sich an der Ablage im Flur fest. Hör auf mit der Schauspielerei, ermahnte sie sich. Du bist dabei, dich selbst verrückt zu machen, und in ein paar Minuten kommen die beiden durch die Tür gelaufen und wollen etwas zu essen haben.
    Das half ihr einen Moment lang, dann kam die Angst zurück. Sie ging zur Treppe und rief hinauf: »Hallo, ihr zwei!«
    Karen und Lauren antworteten.
    »Alles okay«, rief sie zurück. »Ich wollte nur Bescheid sagen, daß es bald Essen gibt.«
    Eine halbherzige Lüge. Sie wollte nur ihre Stimmen hören, um sicher zu sein, daß es ihnen gut ging.
    Du bist total verrückt, sagte sie sich. Nein, bin ich nicht, sie kommen sehr, sehr spät. Sie ging zum Telefon in der Küche, begann die 91 zu wählen, zögerte jedoch bei der letzten Zahl. Mit dem Hörer in der Hand sank sie auf einen Stuhl. Plötzlich hörte sie ein Auto in ihre Einfahrt einbiegen. Erleichtert knallte sie den Hörer auf die Gabel, rannte zur Tür, öffnete sie und sah ihren Mann auf sich zukommen, nicht ihren Vater mit Tommy an der Hand.
    »Duncan«, rief sie.
    Er war in wenigen Sätzen bei ihr. Trotz des schwachen Lichts, das durch die Tür nach draußen fiel, sah sie seine geröteten Augen.
    »Duncan, oh, mein Gott! Etwas ist passiert! Tommy! Was ist mit ihm? Wo ist Papa?«
    »Es geht ihnen gut«, antwortete Duncan. »Ich glaube es wenigstens. Oh, Megan! Sie sind weg. Sie haben sie geschnappt. Alles ist vorbei! Alles.«
    »Wer hat sie geschnappt? Was meinst du damit?« Sie kämpfte um ihre Selbstbeherrschung.
    »Ich bin so dumm gewesen«, sagte Duncan. Er redete über sie hinweg in die Nacht hinaus. »All die Jahre habe ich geglaubt, es wäre alles vorbei, nur eine böse Erinnerung, vielleicht ein schlechter Traum. Alles wäre nie passiert, habe ich mir eingeredet. Was für ein verdammter Narr ich war!«
    Megan nahm alle ihre Kräfte zusammen, um nicht herauszuschreien.
    »Sag mir, wo Tommy ist? Wo ist mein Vater? Wo sind sie?«
    Duncan sah sie an. »Die Vergangenheit«, sagte er leise.
    Er führte sie zum Haus. »Neunzehnhundertachtundsechzig.« Er schlug verzweifelt mit der Faust gegen die Wand.
    »Erinnerst du dich an das Jahr? Weißt du noch, was damals passiert ist?«
    Sie nickte und hatte dabei das Gefühl, daß alles Leben aus ihr wich. Hunderte schrecklicher Bilder standen ihr vor Augen, sie schloß sie, als könne sie sie dadurch vertreiben. Dann starrte sie benommen ihren Mann an.
    Sie standen eine Weile im schwachen Licht des Eingangs nebeneinander, unfähig, sich zu berühren. Sie verstanden nichts, außer, daß das Schreckliche, vor dem sie sich bisher sicher gefühlt hatten, sie eingeholt und seine Fangarme um sie geschlagen hatte.

KAPITEL 2
Lodi, Kalifornien. September 1968
    Kurz nach Morgendämmerung erwachte die Brigade. Das Licht des frühen Morgens schimmerte durch die schweren Vorhänge vor den Fenstern und drang in die letzten Winkel des kleinen eingeschossigen Blockhauses. Die Bewohner regten sich träge. Ein Teekessel pfiff in der Küche. Mit einigem Stöhnen und Murren wurden Matrat-zen vom Boden hochgenommen und gegen die Wand des Wohnzimmers gestellt. Schlafsäcke wurden zusammengerollt,
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