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Die Rache des Marquis

Die Rache des Marquis

Titel: Die Rache des Marquis
Autoren: Julie Garwood
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der alten Frau auf, weil Caine entschieden hatte, niemand dürfe von ihren Kenntnissen wissen. Dies hielt er für vorteilhaft, denn wenn sich herumsprach, sie sei Analphabetin, würden die Feinde glauben, sie hätte jene Briefe nicht lesen können. Sie fand diese Argumentation zwar etwas zweifelhaft, doch sie widersprach ihrem Mann nicht. Um Lady Briars’ Neugier zu befriedigen, erzählte sie amüsante Geschichten aus ihrer Kindheit. Dann beendete sie ihren Bericht mit dem Geständnis, das Inselleben sei geruhsam, aber auch etwas langweilig gewesen.
    Als sich das Gespräch um die kürzlich vollzogene Trauung drehte, beantwortet Caine die Fragen der alten Dame. Jade staunte über die Lügen, die ihm mühelos über die Lippen kamen. Offenbar besaß auch er ein Naturtalent. Die Freundin ihres Vaters schien sich ehrlich für das alles zu interessieren, und Jade fand sie sehr liebenswert. »Warum haben Sie nie geheiratet?« erkundigte sie sich. »Ich weiß, das ist eine kühne Frage, aber Sie sind eine schöne Frau. Sicher wurden Sie von vielen jungen Männern umschwärmt.«
    Lady Briars errötete vor Freude über dieses Kompliment und strich über ihr Haar. Dabei bemerkte Jade, daß die Hände der Besucherin zitterten, und hielt das für eine Alterserscheinung. »Mein Kind, ich hatte meine Hoffnungen für lange Zeit in Ihren Vater gesetzt. Thornton war ein wunderbarer Mann. Aber der zündende Funke sprang nicht über, und so wurden wir nur gute Freunde. Ich denke immer noch oft an ihn, und manchmal suche ich die kostbaren kleinen Geschenke hervor, die er mir gegeben hat. Besitzen Sie einige Dinge, die Sie an Ihren Papa erinnern, Jade?«
    »Nein, alles ist verbrannt.«
    »Verbrannt?«
    »Es wird Sie sicher betrüben, Lady Briars. Das Haus meines Bruders, das Sie renovieren halfen, ging in Flammen auf.«
    »Oh, Sie Ärmste!« wisperte die Lady. »Das müssen schlimme Zeiten für Sie gewesen sein.«
    Jade nickte. »Aber Caine war mir ein großer Trost. Ich weiß nicht, wie ich diesen letzten Monat ohne ihn überstanden hätte.«
    »Ja, da hatten Sie Glück.« Lady Briars stellte ihre Teetasse auf den Tisch. »Sie haben also nichts, was Sie an Ihren Vater erinnert? Nicht einmal eine Familienbibel, eine Uhr oder Briefe?«
    Als Jade den Kopf schüttelte, ergriff Caine ihre Hand. »Liebling, du vergißt die Truhe.«
    Sie sah ihn an und fragte sich, was er im Schilde führen mochte, ließ sich ihre Verwirrung aber nicht anmerken. »Ach ja, die Truhe.«
    »Also besitzen Sie doch ein Erinnerungsstück.« Lady Briars nickte sichtlich zufrieden. »Ich wollte schon nach Hause eilen und etwas für Sie auswählen. Eine Tochter muß ganz einfach ein oder zwei Gegenstände besitzen, die das Andenken an den Vater wachhalten. Ich entsinne mich einer hübschen Porzellanfigur, die Ihr Papa mir zum sechzehnten Geburtstag schenkte …«
    »Oh, die könnte ich Ihnen niemals wegnehmen«, fiel Jade ihr ins Wort.
    »Gewiß nicht«, bestätigte Caine. »Außerdem hat sie ja die Truhe. Wir fanden noch keine Gelegenheit, hineinzuschauen. Jade war so krank in den letzten Wochen.« Lächelnd wandte er sich zu seiner Frau. »Meine Liebe, sollen wir demnächst in Nathans Stadthaus gehen? Natürlich nur, wenn du dich kräftig genug fühlst. Wir müssen den Nachlaß ihres Bruders ordnen«, erklärte er der alten Dame.
    Jade glaubte, er hätte den Verstand verloren. Um ihr Unbehagen zu überspielen, lächelte sie, während sie auf die nächste Überraschung wartete. Sie mußte sich nicht lange gedulden.
    »Vielleicht möchten Sie uns in Nathans Haus begleiten und einen Blick in die Truhe werfen, Lady Briars«, schlug er vor.
    Das lehnte die Besucherin ab. Sie bestand darauf, Jade bald bei sich daheim zu sehen. Dann verabschiedete sie sich, und Caine führte die gebrechliche Frau zum Wagen hinaus. Bis zu seiner Rückkehr wanderte Jade rastlos im Salon umher, und sobald er eintrat, rief sie: »Was soll das alles?«
    Statt zu antworten, schloß er die Tür, und sie sah ihn grinsen. Offenkundig war er hochzufrieden mit sich selbst. »Caine, es war mir sehr unangenehm, als diese liebe Frau so schamlos angeschwindelt wurde. Außerdem bin ich in dieser Familie für Lügengeschichten zuständig – nicht du. Wieso, um Himmels willen, hast du von dieser Truhe erzählt? Damit sie sich nicht bemüßigt fühlt, mir eins ihrer kostbaren Erinnerungsstücke zu überlassen? Nun? Was hast du zu deiner Verteidigung vorzubringen?«
    »Die Lüge war notwendig.«
    »Keine
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