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Die Rache der Jagerin

Die Rache der Jagerin

Titel: Die Rache der Jagerin
Autoren: Kelly Medling
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dass Chalice eine Gabe besaß, von der sie gar nichts gewusst hatte. Sie hatte eine direkte Verbindung zur Kluft, der Quelle, aus der die Magie in die Welt strömte. Nur eine Handvoll Menschen verfügte über diesen Zugang, und jeder von ihnen verfügte über eine spezielle Gabe. Wyatt konnte unbelebte Gegenstände herbeirufen, während Chalice, beziehungsweise ich, die Gabe der Teleportation erhalten hatte. Ich musste nur noch lernen, diese Fähigkeit besser zu beherrschen.
    »Heute Morgen nicht, Kumpel«, entgegnete ich. »Ich habe noch nicht ganz verkraftet, dass ich drei Leute durch Tovins Kraftfeld um das Besucherzentrum teleportiert habe. Außerdem habe ich nur ein paar Stunden geschlafen, seit ich, oha, tot gewesen bin, und ich habe einen solchen Kohldampf, dass ich ein ganzes Restaurant leer futtern könnte. Fürs Erste habe ich genug vom Teleportieren. Und wenn ich’s mir recht überlege, habe ich zunächst auch von einigen anderen Sachen genug.«
    »Als da wären?«
    Ich ging weiter. Von hinten trug eine leichte Brise beißenden Brandgeruch heran. Es roch nicht süßlich wie bei durchgebratenem Fleisch, sondern ölig und schwer. Widerlich.
    »Ich bin erschöpft, Wyatt«, erwiderte ich. »Kopfmäßig, kräftemäßig, gefühlsmäßig und was auch immer dir sonst noch einfällt mit -mäßig. Ich will einfach nur in ein möglichst abgelegenes Motel und eine Woche lang durchschlafen. Und danach will ich ein heißes Bad nehmen und noch mal eine Woche pennen.«
    »Und nachdem du zwei Wochen geschlafen hast?«, fragte er von irgendwo hinter mir. Darin schwang eine zweite, unausgesprochene Frage mit, und zwar nach dem, was ich in meiner Liste ausgelassen hatte: ihn. Welche Rolle würde er bei meinen Vorhaben spielen?
    Vielleicht hätte ich nach der ersten Woche Schlaf die Kraft, mir Gedanken über mein Leben als Evy/Chalice-Super-Doppelpack zu machen und darüber, welchen Platz er darin einnehmen sollte. Einerseits hätte ich ihn am liebsten in dieses imaginäre Motel geschleppt und es dort zur Feier der überstandenen Schlacht mit ihm getrieben, bis wir beide erschöpft und erledigt gewesen wären. Doch ich hatte Angst davor, dass ich wieder so reagieren könnte wie beim letzten Mal, als wir miteinander schlafen wollten. Deshalb verbannte ich Sex strikt aus meinen Plänen für die nahe Zukunft. Mein neuer Körper schaffte zwar eine größere körperliche Distanz zu der Erinnerung, von einem Kobold gefoltert und vergewaltigt zu werden, aber Wyatt hatte recht: Drei Tage waren bei weitem nicht genug, um all dies zu verarbeiten. Nachdem mir keine Frist mehr gesetzt war, hatte ich jetzt Zeit, mir darüber klar zu werden, was ich Wyatt gegenüber empfand. Anfangs hatte sich in Chalice ein Gefühl für ihn geregt, das von meinen eigenen Erinnerungen angefacht worden war, und nun war etwas ganz Eigenes daraus geworden.
    Etwas, das ich nicht beschreiben konnte.
    Wie ich es beschreiben wollte, würde ich mir später überlegen. »Wenn ich erst einmal zwei Wochen geschlafen habe, rufe ich vielleicht Kismet mit dem Handy an und überzeuge mich, dass die Welt nicht zwischenzeitlich zur Hölle gefahren ist.«
    »Die Hölle scheint ziemlich scharf darauf zu sein, die Kluft zu überqueren.«
    »Tja, Tovin ist tot, der Unreine ist gebannt, und die Holden bewachen noch immer die Erste Kluft. Ich würde mal sagen, damit stehen die Chancen ziemlich schlecht, hierher durchzukommen – meinst du nicht auch?«
    »Klar. So lange, bis jemand dort weitermacht, wo Tovin aufgehört hat.«
    Ich ging etwas schneller, doch vor dem Gestank des Scheiterhaufens, der außerhalb unserer Sichtweite brannte, gab es kein Entrinnen. »Irgendwer hat doch immer versucht, die unterschiedlichen Völker gegen uns zu vereinen, Wyatt.«
    »Doch vor Tovin ist das nie jemandem gelungen. Vor allem nicht mit den Kobolden, die dafür berüchtigt sind, dass sie nicht mit anderen klarkommen.«
    Ich wollte nicht zugeben, dass er damit ein wichtiges Argument vorbrachte. Denn hätte ich das eingestanden, hätte dies seiner Beweisführung Gewicht gegeben, und ich war es leid, dass andere mir gegenüber in einer besseren Position dastanden. Ich war es leid, herumgestoßen, manipuliert und benutzt zu werden. Die Triaden hatten das getan. Wyatt hatte das getan. Tovin hatte es getan. Damit war jetzt Schluss.
    »Hey, schau mich an.«
    Als er mich am linken Handgelenk packte, krampfte sich mir der Magen zusammen. Ich wirbelte einmal um die eigene Achse und bewegte gleichzeitig
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